Studie über die Folgen der 72-Stunden-Aktion

"72 Stunden wirken länger"

Vor neun Monate engagierten sich 175.000 Jugendliche bei der 72-Stunden-Aktion des BDKJ. Dabei wurden Obdachlosenheime angestrichen und Klettergerüste gebaut. Wie wirkt das nach? Michael Kreuzfelder, Sprecher des BDKJ, im domradio.de-Interview.

72-Stunden-Aktion: Jugendliche helfen im Kindergarten (KNA)
72-Stunden-Aktion: Jugendliche helfen im Kindergarten / ( KNA )

domradio.de: 4000 soziale Projekte haben die Freiwilligen im vergangenen Juni realisiert. Eine riesengroße Menge. Wie viele Projekte gibt es denn davon heute noch?

Kreuzfelder: Das kann man genau sagen: Knapp 400 Projekte, haben die Wissenschaftler hochgerechnet. Wir haben eine Studie, wo die Jugendlichen in den Projekten gefragt wurden und da sind knapp neun Prozent, die sagen: Wir treffen uns heute immer noch und arbeiten tatsächlich konkret an unserer Aufgabe zum Teil noch weiter.

domradio.de: Natürlich ein Obdachlosenheim anstreichen, einen Garten bepflanzen, solche Aufgaben. Das ist dann auch nach einem Mal getan. Was sind das denn für Projekte, die da so lange weiterlaufen, inhaltlich zum Beispiel?

Kreuzfelder: Ja, da haben wir ein tolles Beispiel in Köln-Godorf. Da hat eine Pfadfindergruppe in einem Übergangsheim für Flüchtlinge tatsächlich so Verschönerungsarbeiten gemacht. Und aus dieser Aktion ist im Grunde genommen sowas wie eine Patenschaft entstanden. Da haben sich die Gruppen gegenseitig bei ihren Weihnachtsfeiern besucht oder Grillfeste veranstaltet. Die Pfadfinder sammeln Geld für die Menschen dort. Und jetzt, wo es in der Stadtpolitik darum geht, zu gucken, wie geht es denn weiter mit dem Übergangsheim, wurde auch die Pfadfindergruppe gefragt. Also, das ist ein Beispiel. Oder wo erstmal nur ein Klettergerüst auf einem Spielplatz erneuert wurde, aber dann gesagt wurde, das ist doch eigentlich schade. Wir übernehmen als Messdienergruppe eine Patenschaft für diesen Spielplatz. Das sind zwei Beispiele von vielen Projekten, wo aus dem Projekt, was vorher gar nicht geplant war, eine weiterführende Zusammenarbeit geworden ist.

domradio.de: Ist denn das, was bleibt, die Realisierung des Projekts, oder mehr - das höre ich jetzt ein bisschen raus - dass das Netzwerk zwischen den Helfenden entstanden ist und dass diese Gruppenzusammengehörigkeit gestärkt wurde?

Kreuzfelder: Sowohl als auch. Also, zum einen zeigt die Studie auch, dass sich ganz viele Kontakte für die Gruppen ergeben haben. Zum einen, auch innerkirchlich, dass zum Beispiel die Messdienergruppe und der Gemeinderat oder eine Seniorengruppe, die sich vorher vielleicht gar nicht kannten, dass die sich kennengelernt haben und weiter zusammen arbeiten. Da sind tatsächlich Kontakte entstanden. Das andere ist natürlich, wenn ein Klettergerüst gebaut wurde oder eine Kräuterschnecke angelegt wurde, dann leibt die natürlich erstmal. Und für Seniorenheimeinwohner und -einwohnerinnen ist das natürlich was Bleibendes. Und gleichzeitig sind da die Patenschaften, die entstanden sind, Kontakte, die nachhaltig wirken für die Gruppen. Also auf drei Ebenen ist es tatsächlich messbar nachhaltig. 

domradio.de: Die 72-Stunden-Aktion war ja keine Premiere. Ich vermute mal, dass auch hier bei dieser Studie herausgekommen ist, dass wahrscheinlich viele das nochmal machen würden von den Jugendlichen, oder?

Kreuzfelder: Ja, die Zahl ist eindeutig. Mehr als die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer möchte gerne in diesem oder im nächsten Jahr schon wieder loslegen. Und guckt man da ein bisschen genauer hin, dann sagen die Menschen, die das ganz viel vorbereitet haben, den Organisationsaufwand betreiben, naja, lass uns lieber mal zwei, drei Jahre länger warten. Aber unstrittig ist, dass 97 Prozent der Leute, die mitgemacht haben, gerne nochmal mitmachen möchten.

domradio.de: Was ist für Sie das Wichtigste an diesem Ergebnis der Studie?

Kreuzfelder: Das sind mehrere Sachen. Zum einen ist es tatsächlich so, dass 72 Stunden viel länger wirken als nur drei Tage. Manche sagen, ach, was ist das denn, wenn ihr nur drei Tage was macht, da können wir jetzt allen sagen: Nein, das wirkt tatsächlich länger. Zum anderen freut mich auch wahnsinnig, dass die Studie zeigt, dass diese Aktion auch Engagement fördert. Also, Jugendliche sagen, durch die Aktion habe ich eigentlich noch viel mehr Bock drauf, mich noch mehr einzusetzen und machen das tatsächlich. Die sagen neun Monate später, ich hab tatsächlich da und da was mehr gemacht. Das sind zwei Sachen, die mich wirklich freuen.

Das Gespräch führte Dagmar Peters.


Quelle:
DR