Misereor zur Fastenaktion 2014

Eine Currywurst weniger ist nicht genug

Hunger ist weit weg. Falsch. Auch die Deutschen sind mitverantwortlich, sagt Misereor-Chef Pirmin Spiegel. Im domradio.de-Interview plädiert er für ein anderes Konsumverhalten, etwa beim Fleisch.

Auftakt der Fastenzeit (KNA)
Auftakt der Fastenzeit / ( KNA )

domradio.de: Ihre Arbeit wird leider nicht überflüssig: Jeder achte Mensch auf der Welt hungert. Misereor sammelt jedes Jahr in der Fastenzeit Geld, damit sich das ändert. Wenn wir zurückblicken auf die vergangen Fastenaktionen, was hat sich denn durch die Arbeit von Misereor verändert?

Monsignore Pirmin Spiegel (Hauptgeschäftsführer von Misereor): Wir glauben, dass wir irgendwie mitdrehen an dieser Aktion gegen Hunger. Misereor wurde 1958 unter der Federführung von Kardinal Frings gegründet und im Jahr 2000 hat auf UN-Ebene eine Debatte stattgefunden, die sich Ziele gegeben hat für das neue Millennium und das erste Ziel war, den Hunger zu halbieren. Die Völkergemeinschaft hat insgesamt gesagt: Das ist ein Skandal, dass jeder achte Mensch auf dieser Erde hungert, damit zu früh stirbt, keine Resistenz gegen Krankheiten hat und wir haben die Möglichkeiten, diesen Hunger auszurotten. Insofern versuchen wir mit unseren Projektpartnern in den Ländern des Südens - insgesamt haben wir Projekte in 92 Ländern mit Partnerorganisationen, die ganz nah dran sind an den Armen - gemeinsam Wege zu finden und den Hunger und die Ursachen des Hungers anzugehen.

In den letzten Jahren hat sich in den verschiedenen Regionen der Hunger reduziert. Die zwei großen Fokusse, wo auf unserer Erde sehr viele hungernde Menschen leben, sind Südasien und Afrika südlich der Sahara. Deshalb haben wir in diesem Jahr auch besonders Uganda als Projektland ausgewählt, um diese Herausforderungen für die Weltgemeinschaft deutlich zu machen.

domradio.de: Mit Aschermittwoch hat die Fastenzeit begonnen. Wir können es uns hier in Deutschland leisten, zu sagen, wir möchten jetzt gar nicht essen, wir können verzichten.

Spiegel: Die Fastenzeit ist eine sehr gute Möglichkeit für Christen über das eigene Leben nachzudenken, über das Konsumverhalten und den Lebensstil. Nicht um ihn dann nach der Fastenzeit wieder fortzuführen wie vorher, sondern durch die Unterbrechungen, das Nachdenken, eventuell zu einer anderen Art der Lebenshaltung zu kommen. Darauf wollen wir in diesem Jahr neugierig machen und einladen an dieser Frage dran zu bleiben.

domradio.de: Sie weisen in diesen Tagen auch darauf hin, dass nicht nur Klimawandel und Spekulationen auf Nahrungsmittel etwas mit Hunger zu tun haben, sondern auch der übermäßige Fleischkonsum hier in Deutschland. Wie stellen Sie den Zusammenhang her?

Spiegel: Wir nennen das Flächenkonkurrenz und zwar gibt es Bauernfamilien in Paraguay, Argentinien oder Brasilien, die nicht ihre Grundnahrungsmittel anbauen, sondern es werden immer mehr wertvolle Flächen genutzt für den Futtermittelbedarf, für die Tierhaltung in Deutschland, Europa und den Industriestaaten, weil der Fleischkonsum dort sehr hoch ist. Das bedeutet, dass die wertvollen Böden in Konkurrenz stehen zwischen Futtermittelbedarf für Tiere und zwischen den Grundnahrungsmitteln für die Menschen, die lokal und national leben. Diese Flächenkonkurrenz bedeutet dann, dass in der Regel die Preise für Grundnahrungsmittel steigen. Ich selbst habe in einer Gegend gelebt, in der 80 Prozent des Einkommens für Grundnahrungsmittel verwendet werden müssen. Wenn dann die Grundnahrungsmittelpreise weiter steigen auf Grund der Flächenkonkurrenz, weil weniger Nahrungsmittel angebaut werden, kommt es gleich zu hundert Prozent. Sie können sich vorstellen, wenn Sie alles, was Sie verdienen, zur Nahrung ausgeben, bleibt nichts übrig für Bildung, für Kleidung, für andere Bedürfnisse. Diese Zusammenhänge wollen wir in diesem Jahr deutlich machen.

domradio.de: Es klingt so, als würden Sie Ihre Appelle vor allem in Richtung der Fleischesser richten. Aber ist es nicht vor allem an der Wirtschaft und der Politik, es nicht mehr zu dieser "Flächenkonkurrenz" kommen zu lassen?

Spiegel: Ja, wir sind überzeugt, dass wenn wir jetzt ein Schnitzel weniger essen, das alleine nicht die Welternährungssituation ändert. Neben persönlichem Konsumverhalten sind ebenso wirtschaftliche und politische Akzente sowohl in den Ländern des Südens als auch bei uns in Europa und Deutschland notwendig. Wir versuchen das zusammen zu sehen, weil auch nur zusammen, die Ursachen von Hunger angegangen und bekämpft werden können.

Das Interview führte Daniel Hauser


Misereor-Chef Pirmin Spiegel (dpa)
Misereor-Chef Pirmin Spiegel / ( dpa )
Quelle:
DR