60 Jahre Unicef Deutschland

In der Völkerfamilie

Die Lebenschancen von Kindern zu verbessern, war das Leitmotiv, als vor 60 Jahren das deutsche Unicef-Komitee gegründet wurde. Vor sechs Jahren ging der Verein durch eine Krise. Heute stellt sich das UN-Kinderhilfswerk auf eine Welt im Wandel ein.

Autor/in:
Elvira Treffinger
Syrische Flüchtlingskinder (Unicef)
Syrische Flüchtlingskinder / ( Unicef )

Ein Becher Milch, ein Löffel Lebertran: Ein Notfonds der Vereinten Nationen half nach dem Zweiten Weltkrieg Kindern beim Überleben - dort wo das Elend am größten war, in China und in Europa.

Auch in Deutschland erhielten Jungen und Mädchen Essen oder Schuhe - vom Vorläufer des Kinderhilfswerks Unicef. Dankbare Bürger nahmen bald die empfangene Hilfe zum Anlass, selbst zu helfen. Sie gründeten am 30. Juni 1953 in der Bundesrepublik das Deutsche Komitee für UNICEF.

Schon in den 50er Jahren geriet die Not der Kinder in Asien, Afrika und Lateinamerika in den Blick. Das gilt bis heute. "Die Vorstellung, eine Mutter von drei kleinen Kindern in Syrien zu sein, reicht eigentlich schon, um etwas zu tun“, sagt Susanne Seiler, 46. Die Diplom-Kauffrau ist selbst dreifache Mutter und eine von etwa 8.000 ehrenamtlichen Unicef-Mitarbeitern in Deutschland. Sie hält Vorträge an Schulen und organisiert Benefiz-Läufe mit.

Deutscher Unicef-Arm gehört zu den wichtigsten

Rund 1,7 Milliarden Euro Spenden hat das deutsche Komitee in 60 Jahren gesammelt oder durch den Verkauf von Grußkarten eingenommen. Der deutsche Verein ist bis heute eine der wichtigsten Stützen des UN-Kinderhilfswerks mit Sitz in New York, das sein Budget zu 30 bis 40 Prozent aus privaten Spenden bestreitet. 2010 betrug der Gesamt-Etat 3,9 Milliarden US-Dollar. Regierungen leisten dazu freiwillige Beiträge.

Der Kampf gegen die Kindersterblichkeit spielt immer noch eine wichtige Rolle. Unicef-Sprecher Rudi Tarneden im Kölner Büro spricht aber auch von einem Wandel. "Afrika ist nicht mehr so, wie das Klischee uns vormacht“, sagt er. Die Kluft zwischen Arm und Reich gehe mitten durch viele Länder, neben dem Eselskarren fahre der dicke Geländewagen auf. Da sei es wichtig, die Spaltung in der Gesellschaft überwinden, Kindern und Jugendliche Perspektiven zu eröffnen.

Krise im Jahr 2007

Ende 2007 geriet das deutsche Unicef-Komitee in eine Krise. Öffentlich wurde über den Vorwurf gestritten, zu hohe Honorare an professionelle Spendenwerber zu zahlen und die Finanzen nicht genug offenzulegen. Der langjährige Geschäftsführer Dietrich Garlichs, Vorstandsvorsitzende Heide Simonis und schließlich der gesamte Vorstand traten zurück. Unicef verlor das Spendensiegel, ein Teil der Ehrenamtlichen verabschiedete sich. 2008 brachen die Spenden um fast ein Viertel auf etwa 70 Millionen Euro ein. Ein Stück weit war es ein Konflikt zwischen Business und Basis.

Der Grünen-Politiker Tom Koenigs, der für die UN unter anderem die Mission in Afghanistan geleitet hatte, trat damals neu in den Vorstand ein, um dem Komitee wieder auf die Beine zu helfen. "Unicef ist in Deutschland der sichtbarste Teil der Vereinten Nationen“, sagt er. "Wenn irgendwo eine Katastrophe ist, dann wissen Sie: Unicef ist schon da.“ Koenigs ist der internationale Charakter der Organisation wichtig, die Hilfe für Kinder im Namen der Völkerfamilie. Nationale Eitelkeiten oder Profilierungswünsche von Politikern hätten da keinen Platz.

Neuanfang mit mehr Offenheit

"Wir haben gelernt, welch einen hohen Stellenwert Transparenz hat“, erklärt Tarneden im Rückblick. Inzwischen holte Unicef-Deutschland Transparenzpreise, gewann Spender und das begehrte Siegel zurück. Burkhard Wilke, Leiter des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen, das das Spendensiegel vergibt, lobt den Neuanfang. "Der Internet-Auftritt und der Jahresbericht sind viel transparenter und umfassender geworden“, sagt er. "Da hat Unicef enorm aufgeholt und erfüllt heute vorbildliche Standards.“ Als Konsequenz aus der Unicef-Krise verpflichteten sich viele Hilfswerke in Deutschland zu mehr Offenheit, und die Kriterien für das Siegel wurden verschärft.

Seiler hielt Unicef über die Krise hinweg die Treue. Dafür ist ihr die Arbeit für die Kinder in Kambodscha oder Haiti zu wichtig. "Es sind Managementfehler gemacht worden“, räumt sie ein. Dass das Einwerben großer Spenden manchmal eine Stange Geld koste, sei ihr aber von ihrer früheren Arbeit im Marketing klar. Seiler ist überzeugt, dass kein Geld veruntreut oder verschwendet wurde: "Die Kasse stimmt, aber es wurde falsch dargelegt.“ Unterdessen schaut Seiler bereits auf das kommende halbe Jahr. Bald gilt es, die Stände auf Weihnachtsmärkten zu planen.


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