Libanons Caritas-Präsident zur Lage der syrischen Flüchtlinge im Land

"Soziales Problem ersten Ranges"

Der Libanon braucht dringend Unterstützung in Sachen Flüchtlingshilfe, sagt Simon Faddoul, der libanesische Caritas-Präsident. 12.000 Familien, mehr als 60.000 Menschen, erhalten Nothilfe durch das katholische Hilfswerk.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Simon Faddoul / © Patrick Nicholson (CI)
Simon Faddoul / © Patrick Nicholson ( CI )

Simon Faddoul warnt vor einer "Bedrohung für die Stabilität und Sicherheit unseres Landes: Die Ressourcen sind erschöpft". Auf vier Millionen Libanesen kommen inzwischen mehr als anderthalb Millionen Nichtlibanesen, schildert der Hilfswerkschef die Situation in dem ohnehin instabilen Staat? Syrer, die vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat fliehen, Palästinenser, die seit der israelischen Staatsgründung als Flüchtlinge am Rand der libanesischen Gesellschaft leben, irakische Flüchtlinge und weitere Hunderttausende Migranten.

Die Frage der Flüchtlinge ist "ein soziales Problem ersten Ranges, das größere Auswirkungen auf den Libanon haben wird, als der Bürgerkrieg", ist der Caritas-Präsident überzeugt. "Es fehlt die Perspektive, unsere Regierung leidet unter dem Verleugnungssyndrom." Rund 80 Prozent der syrischen Flüchtlinge sind Frauen und Kinder, so Faddoul. Alle benötigten dringend Hilfe. Hygienebedingte und chronische Krankheiten sind verbreitet, es fehlt an der nötigen Grundversorgung.

Caritas als einziges Hilfswerk mit Zugang

12.000 Familien, mehr als 60.000 Menschen, erhalten Nothilfe durch das katholische Hilfswerk, das sich seit der Ankunft der ersten Syrer vor drei Jahren für die Flüchtlinge einsetzt. In manchen Regionen hat die Caritas mit ihren einheimischen Mitarbeitern als einziges Hilfswerk Zugang zu den Flüchtlingen. Unter den Hilfsempfängern der verschiedenen Caritas-Zentren, sagt der maronitische Priester, sind die schwächsten und verletzlichsten der Flüchtlinge, "verlassene Kinder, misshandelte Frauen, denen wir Unterkunft gewähren".

Eigentliche Flüchtlingslager gibt es im Libanon nicht. "Zu gefährlich", sagt der Caritas-Chef mit Verweis auf Jordanien, "weil man auf diese Weise alle Probleme wie Armut und Drogen konzentriert".

Auch ohne Massenunterbringung bringen die Flüchtlinge für den Libanon enorme Probleme mit sich. "Frauen verkaufen sich für fünf Dollar, Männer verkaufen ihre 12 Jahre alten Töchter an alte Scheichs, um so Geld in die Familie zu bringen und die Mädchen vor der Prostitution zu schützen", beschreibt Faddoul die schwierige Situation.

Kinder aus den Schulen gerissen

Eine weitere Herausforderung: Hunderttausende syrische Kinder sind durch die Flucht aus ihren Schulen gerissen worden, die libanesischen Schulen stehen ihnen in aller Regel nicht offen. "Bildungsprojekte für diese Kinder haben eine hohe Priorität", betont Simon Faddoul, muss aber hinzufügen, dass schon die Grundversorgungsprogramme "kaum mehr geschultert" werden können. Schwierig ist die Hilfe besonders im Norden des Landes auch deshalb, weil Mitarbeiter des Hilfswerks durch fundamentalistische Gruppen bedroht werden, wie Faddoul vorsichtig andeutet.

Die Angst der Libanesen bleibt, weil "kein Ende in Sicht" ist. Zu frisch sind die Erinnerungen der Libanesen an den Bürgerkrieg im eigenen Land, der mit syrischer Besatzung endete. Mit den Flüchtlingen steigen im Libanon Armut und Arbeitslosigkeit. "Syrer nehmen den Platz libanesischer Arbeiter ein, sie sind billiger und arbeiten ohne Versicherung", so die Erfahrung der Caritas. Und: Die meisten Flüchtlinge sind Sunniten. Dies wiederum gefährdet das schon durch die halbe Million Palästinener ins Ungleichgewicht geratene Kräfteverhältnis im Land.

Das Ergebnis werde erst "in den kommenden Generationen zu sehen sein, die mit Hass und Gewalt aufwachsen", sagt Faddoul. Umso wichtiger sei es jetzt, "dass der Westen nicht müde wird, sich für die Wiederherstellung des Friedens einzusetzen, denn das ist die Lösung für alles!" Konkret hofft der libanesische Christ auf "zwei Dinge von außen": "Solidarität im Gebet und finanzielle Solidarität, damit wir weiter helfen können." Denn ganz gleich wie dramatisch die Lage im Libanon ist, "einfach die Grenze schließen können wir nicht. Sonst sterben Menschen. Und schließlich ist Damaskus nur eine gute Viertelstunde entfernt!"


Quelle:
KNA