Wohlfahrtsverband: Kritik an Hartz-IV-Bestimmung

"Ich weiß nicht, was der Unsinn soll"

Hartz IV-Empfänger, die häufiger krank sind, müssen mit schärferen Kontrollen der Jobcenter rechnen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisiert die Bestimmung der Bundesagentur. Geschäftsführer Ulrich Schneider im domradio.de-Interview.

 (DR)

domradio.de: Sehen Sie das auch so wie das Erwerbslosenforum, dass das "unsensibel" und "völlig krank" ist?

Schneider: Die Pläne sind völliger Nonsens. Man sollte davon ausgehen, dass unsere Jobcenter wirklich andere Sorgen haben. Wir müssen sehen, von welchen Größenordnungen wir hier sprechen: Wir haben 4,4 Millionen erwerbsfähige Hartz IV-Bezieher, und davon sind in der letzten statistischen Erhebung etwas über 200.000 krank gewesen. Das ist ein Krankenstand, wie wir in jedem Betrieb haben. Es gibt überhaupt keinen Grund für besondere Aktionen, das hat die Bundesagentur ja auch bereits eingestanden. Deshalb frage ich: Was soll das jetzt? Die Jobcenter sollen sich um gute Vermittlung kümmern und darum, dass die Menschen nicht wieder nach einem Jahr zu Hartz IV zurückkehren.

domradio.de: Heißt das denn, das Jobcenter unterstellt damit den Hartz IV-Empfängern, dass sie nur vorgeben krank zu sein?

Schneider: Na sicherlich. Es ist wie in jedem Betrieb: Wenn sich tatsächlich häuft, dass sich Menschen zu bestimmten Tagen krank melden, kann ein Jobcenter den Verdacht überprüfen, dass jemand blau macht. Das ist schon jetzt möglich, und das ist überhaupt nicht spektakulär. Das ist in der gesamten Wirtschaft so. Es stellt sich nur die Frage, was das Thema ausgerechnet in einem Jobcenter verloren hat. Die sollen Arbeitsplätze organisieren. Man kann nicht einfach einen Verdacht ins Blaue streuen. Das tut man nicht. Das ist nicht nur unsensibel, das ist sogar ein Generalverdacht.

domradio.de: Die Leistungen sollen gekürzt werden, wenn sich herausstellt, dass die Krankheit vorgeschützt wurde, so heißt es. Halten sie das für einen richtigen Anreiz, diese Menschen wieder in Lohn und Brot zu bringen?

Schneider: Wenn Sie jetzt einen Sozialrichter fragen, würde der sagen: Lasst den Unsinn, ich sehe nur, wie schon wieder die Gerichte beschäftigt werden. Wir machen da wieder ein Fass auf, bei dem sich die Sozialgerichte mit Einzelfällen beschäftigen müssen. Die Kontrollmöglichkeiten reichen schon jetzt völlig aus. Eine einzelne Boulevardzeitung hat das Thema jetzt hochgezogen, ich weiß nicht, was der Unsinn soll.

domradio.de: Was ist Ihr Anliegen für Hartz IV-Empfänger?

Schneider: Wir müssen die Sätze erhöhen. Es ist bekannt, dass man mit diesem Geld nicht über die Runden kommen kann. Und was noch wichtiger ist: Wir haben im Hartz IV-Bezug Hunderttausende Menschen, von denen wir wissen, dass sie auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht mehr ohne weiteres vermittelbar sind, Krankenschein hin oder her. Für diese Menschen brauchen wir öffentlich geförderte Beschäftigung. Sie wollen ja arbeiten, und wir sollten als Gemeinschaft diese Arbeitsplätze auch zur Verfügung stellen.

Das Gespräch führte Monika Weiß.


Quelle:
DR