Mexikos Drogenbarone suchen den Kontakt zur Kirche

Die Mafia ist überall

Die mexikanische Kirche hat ein Problem: Der lange Arm der Drogenmafia reicht bis in die kleinste Pfarrei. Priester werden mit Schutzgeldzahlungen erpresst, die Mafia hat in vielen Kommunen längst das Sagen. Und es gibt den Verdacht, dass Spender, die Verbindungen zum Drogenhandel haben, den Bau einzelner Kirchen unterstützt haben.

Autor/in:
Tobias Käufer
 (DR)

Wenn die Menschen in Mexiko über Heriberto Lazcano reden, dann senken sie die Stimme. Nur nicht auffallen, nur nicht die Aufmerksamkeit der Umgebung wecken. "El Lazca", der Chef des Drogenkartells "Los Zetas", ist berühmt-berüchtigt: einer der gefährlichsten, blutrünstigsten und zugleich einflussreichsten Drogenbosse Mexikos. Der Mann, auf dessen Konto Hunderte, wenn nicht gar Tausende Tote im erbitterten Drogenkrieg gehen, hat beste Kontakte zu Polizei, Justiz, Medien - und offenbar auch zur Kirche. In der Öffentlichkeit über "El Lazca" zu sprechen, kann gefährlich werden. Ein falsches Wort kann schlimme Konsequenzen haben, die Mafia hat ihre Ohren überall.



"Welcher Teil der Gesellschaft ist denn noch nicht vom Drogenhandel unterwandert?", fragt das kircheneigene Magazin "Desde la Fe" in dieser Woche. "Es gibt Verdachtsmomente, dass Spender, die Verbindungen zum Drogenhandel haben, den Bau einzelner Kirchen mit Spenden unterstützt haben", so die Zeitschrift.



"El Lazca" soll den Bau eines Gotteshauses einer Pfarrei in Tezontle finanziert haben, angeblich ohne Wissen des zuständigen Bischofs. Die Gelder sollen aus Lazcas milliardenschweren Einkünften aus dem Drogenhandel stammen. Ein Priester habe die Spenden des Drogenbarons angenommen, berichten die Medien. Der Geistliche muss sich nun unangenehmen Fragen der Staatsanwaltschaft stellen.



Die Mexikanische Bischofskonferenz ging unmittelbar auf Distanz. Hugo Valdemar, Sprecher der Erzdiözese Mexiko, sagte: "Wenn irgendjemand aus den Reihen der Kirche Gelder angenommen hat oder davon weiß, dann muss er sich vor den Gerichten davor verantworten. Und damit meine ich nicht nur die kirchenrechtlichen Institutionen." Valdemar erinnerte daran, dass es Funktionsträgern der katholischen Kirche verboten sei, Spenden aus zweifelhaften Quellen anzunehmen. Es sei nicht hinnehmbar und ein unerträgliche Doppelmoral, Gelder aus blutrünstigen Geschäften für den Bau von Kapellen zu verwenden.



Trotz dieser Erklärung rauscht es gewaltig im mexikanischen Blätterwald. "Damit ist auch die letzte Bastion gefallen", heißt es in aufgebrachten Zeitungskommentaren. Der Skandal um die Spenden der Drogenmafia erschüttert den Ruf der ohnehin leidgeprüften mexikanischen Kirche - gerade erst ist der Missbrauchsskandal um die "Legionäre Christi" von den Titelseiten der Medien verschwunden.



Der Erzbischof von Durango, Hector Gonzalez Martinez, sucht sein Heil in der Offensive: Er habe einen direkten Draht zum ebenfalls prominenten Drogenbaron Joaquin "El Chapo" Guzman, erklärte er. Der Mafiaboss habe den Kontakt zu ihm gesucht, und ihm aus dem Weg zu gehen, sei unmöglich: "El Chapo ist allgegenwärtig", sagte Gonzalez der Tageszeitung "Proceso".



Doch wie soll ein Geistlicher damit umgehen, wenn ein Drogenbaron eine Spende loswerden will, um sein Gewissen zu erleichtern? Ein "Nein" akzeptiert die Mafia nicht; es könnte gleichbedeutend mit einem Todesurteil sein. Ein "Ja" lässt die Kirchenspitze nicht zu. Ein Ausweg aus diesem Dilemma gibt es praktisch nicht. Der Pfarrer aus Tezontle hat sich offenbar für die Annahme der Spende entschieden. Glaubt man den Spekulationen der Presse, ist sein Fall erst die Spitze eines Eisbergs. Einmal mehr stehen der mexikanischen Kirche stürmische Zeiten ins Haus.