Mexikanische Unabhängigkeit überschattet von Drogenkrieg

Vor 200 Jahren ertönte "Grito de Dolores"

"Es lebe die Jungfrau von Guadalupe! Es lebe Amerika!" soll Miguel Hidalgo in der mexikanischen Stadt Dolores gerufen haben. Der katholische Priester wurde so zum Anführer eines Aufstands, einer Rebellion gegen das "Mutterland". Vor 200 Jahren begann Mexikos Kampf um die Unabhängigkeit von Spanien. Doch das Jubiläum am Donnerstag wird vom blutigen Drogenkrieg überschattet.

Autor/in:
Gudrun Lux
 (DR)

Als "Grito de Dolores", Aufschrei von Dolores, erinnern die Mexikaner jedes Jahr mit großem Pomp an jenen Tag. Doch ausgerechnet in diesem Jahr, am 200. Jahrestag, sind die Feiern getrübt; viele Bundesstaaten sagten Umzüge und Kundgebungen ab. Die Mexikaner haben Angst vor Anschlägen der Drogenbanden, die das Land immer mehr in Unsicherheit stürzen. Wo das Fest gefeiert wird, werden die Sicherheitsvorkehrungen verdoppelt und verdreifacht.



Im mexikanischen Drogenkrieg sind in den vergangenen vier Jahren mehr als 28.000 Menschen ums Leben gekommen. Das vergangene Wochenende geht in die düstere Geschichte der Stadt Ciudad Juarez ein: Dort, an der Grenze zu den USA, töteten Killer von Rauschgiftbanden 25 Menschen.



Ein Märtyrer für die Unabhängigkeit Mexikos

In Mexiko-Stadt und in vielen "ruhigeren" Gemeinden soll gefeiert werden wie jedes Jahr. Dort werden Präsidenten und Bürgermeister auf den Palast- und Rathausbalkonen stehen, Glocken läuten und Mexiko und die Helden der Unabhängikeit hochleben lassen. Dabei war Hidalgos Revolution gar nicht erfolgreich: Der Priester wurde 1811 hingerichtet - was ihn zum Märtyrer für die Unabhängigkeit Mexikos machte.



Hidalgo, 1753 geboren, war selbst Nachfahre spanischer Einwanderer. Doch schon als Jugendlicher kam er in Kontakt mit revolutionärem Gedankengut. Und Revolution, das hieß vor allem: Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Spanien, dem "Mutterland" des Vizekönigreichs. Befeuert wurden die rebellischen Gedanken von aufklärerischen Ideen, die in die Neue Welt gelangten, als Napoleons Frankreich ab 1808 Spanien besetzte.



"Guadalupanos" - Geheimbund

Hidalgo hatte da schon ein bewegtes Leben hinter sich. Nach dem Tod der Mutter wuchs er beim Großonkel, einem Pfarrer, auf. Der Vormund sorgte für die Bildung des jungen Miguel. Hidalgo studierte und wurde schließlich 1778 zum katholischen Priester geweiht. Er wurde Professor, später Universitätsrektor, bis er der Häresie beschuldigt wurde und seinen Posten räumen musste. Hidalgo verließ seine Lebensgefährtin und die gemeinsamen Kinder und arbeitete als Pfarrer in verschiedenen Städten, wurde jedoch wegen seiner freimütigen Kritik an der Kirche immer wieder der Ketzerei beschuldigt.



1803 übernahm Hidalgo die Pfarrei der Stadt Dolores in der Nähe von Guanajuato, errichtete Werkstätten und führte Neuheiten in der Landwirtschaft ein. Er gründete ein Orchester und ein Theater, für das er die Werke französischer Dramatiker ins Spanische übersetzte. Bald trat Hidalgo dem Geheimbund der "Guadalupanos" bei, dessen Bestreben es war, Mexiko von der spanischen Herrschaft loszueisen. Am 1. Oktober 1810 sollten alle Spanier festgenommen werden und eine mexikanische Regierung die Macht übernehmen. Der Plan wurde verraten, den Verschwörern drohte die Verhaftung. Doch auch die Verschwörer wurden gewarnt und reagierten schnell.



Hidalgos Idee ließ sich nicht mehr stoppen

Eine flammende Rede muss es gewesen sein, die als "Grito de Dolores" in die Geschichte Mexikos einging. In der ganzen Stadt ließ Hidalgo die Kirchenglocken läuten und beschwor die Menschen, für Mexiko und die Heiligste Jungfrau von Guadalupe, die Patronin der Mexikaner, in den Kampf zu ziehen: ein Kreuzzug gegen die Fremdherrschaft. Begeisterte Anhänger sammelten sich.



Wenige Wochen später hatten Hidalgo und seine Truppen Guanajuato und Guadalajara eingenommen; ihr Kreuzzug führte sie nun nach Mexiko-Stadt. Doch dorthin sollten sie nicht gelangen: Hidalgos Truppen wurden geschlagen, keine vier Monate nach dem "Grito". Das spanische Heer war den Aufständischen weit überlegen. Hidalgo wurde verhaftet, verhört, hingerichtet. Die Idee, für die er gekämpft hatte, ließ sich jedoch nicht mehr aufhalten. 1821 erkämpften sich die Mexikaner die Unabhängigkeit.



Nach dem Nationalhelden Hidalgo ist heute ein Bundesstaat benannt; im ganzen Land finden sich Statuen und Gedenktafeln. Und die kleine Stadt Dolores, die heute kaum 60.000 Einwohner zählt, trägt längst seinen Namen: "Dolores Hidalgo, Wiege der nationalen Unabhängigkeit" nennt sie sich stolz.