Ein Kommentar zum Einsatz deutscher Soldaten in Syrien

Stell Dir vor, es ist Krieg, und alle machen mit

Der Bundestag hat sich den Einsatz der Bundeswehr in Syrien ausgesprochen. domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen warnt vor den Folgen eines solchen Kriegseinsatzes.

Ingo Brüggenjürgen / © Ide Lödige (DR)
Ingo Brüggenjürgen / © Ide Lödige ( DR )

Nicht einmal 24 Stunden nach den grauenvollen Terroranschlägen – die Toten in Paris waren noch nicht einmal alle gezählt – erklärte der französische Präsident den Angreifern den Krieg. Das Bundeskabinett hat in dieser Woche ebenfalls die Entsendung von Bundeswehrsoldaten beschlossen. Für den Einsatz gegen die IS-Terrorkrieger sollen bis zu 1.200 deutsche Soldaten zwar nicht an vorderster Front kämpfen, aber durch Aufklärung, Absicherung und Nachschubversorgung die Kampfverbände unterstützen, die sich schon seit langer Zeit im Krieg in und um Syrien befinden. Im Bundestag zeichnet sich eine breite Mehrheit für diesen Einsatz der deutschen Soldaten ab, die zur Not auch töten dürfen – töten sollen – töten müssen.

Erzbischof Schick erklärte nun für die katholischen deutschen Bischöfe: "Wenn es nicht anders geht als mit Waffen, dann sagen wir ja dazu!" Und auch der Kölner Kardinal Woelki sagte in dieser Woche in Düsseldorf, dass er den Einsatz gegen die "Mörderbande" IS für gerechtfertigt halte.

Wer die schrecklichen Bilder aus Paris oder die unbeschreiblichen Horrorbilder der IS-Propagandavideos im Kopf hat, der kann diesen Wunsch nach einer militärischen Lösung nur zu gut verstehen. Wie gerne würde man ihr zustimmen, in der Hoffnung, dass sich dadurch die Region befrieden und der Terror von Europa fernhalten lasse.

Da zumindest die Christenheit sich in diesen Tagen auf den "Retter der Welt" und die "Geburt des Friedensfürsten" vorbereiten sollte, darf man aber vielleicht doch daran erinnern, dass dessen Botschaft nicht "Auge um Auge" hieß. Das fünfte Gebot "Du sollst nicht töten" wurde durch Jesus Christus noch einmal präzisiert: "Wer dich auf die rechte Wange schlägt, dem halte deine linke Wange hin!" Zugegeben, Jesus landete für diese und andere Provokationen am Kreuz, und heutige christliche Politiker sind so auch schnell bei der Aussage: "Mit der Bergpredigt lässt sich keine Politik machen!"

Nein, keine Politik, aber vielleicht Frieden? Wie will man denn den Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt durchbrechen? Es braucht hier gar nicht angeführt werden, dass es für den jetzt beschlossenen Militäreinsatz der deutschen Soldaten kein belastbares UN-Mandat gibt. Seit Wochen fliegen Kampfjets Nacht für Nacht ihre Einsätze, ohne dass die vielen Bomben dem Frieden in dieser seit Jahren umkämpften Region auch nur einen winzigen Schritt näher gekommen sind. Haben wir aus den Fehlern in Afghanistan und im Irak gar nichts gelernt?

Jeder Krieg, jeder Kampfeinsatz und jede noch so gut gezielte Bombe tötet Männer, Frauen, Greise, Kinder – oft auch völlig Unbeteiligte und Unschuldige. So wird immer wieder neuer Hass gesät. Wer seinen Vater, Bruder, seine Mutter oder Schwester oder gar seine Kinder in diesem Krieg verloren hat, der ist immer eher zur Rache als zur Vergebung bereit. Gerade aber dieser unendliche Hass ist es doch, der den Anhängern der IS-Kriegstruppen immer wieder neuen Nährboden gibt.

Wer glaubt, dass Wege des Friedens und der Versöhnung nur in rührseligen Weihnachtsansprachen funktionieren, der darf daran erinnert werden, dass noch vor zwei Generationen der deutsche Erbfeind Frankreich hieß. Das Unkraut in deutschen Gärten, das sich auch mit noch so viel Energie nicht vernichten lässt, heißt zwar immer noch Franzosenkraut, aber Gott sei Dank gibt es heute in Zeiten deutsch-französischer Partnerstädte und jahrelangen Schüleraustauschs im vereinten Europa keinen verhassten Nachbarn mehr, dem man den Krieg erklären möchte.

Ja, Frieden und Versöhnung sind möglich. Gerade wir Christen, die jetzt im Advent hoffnungsvoll die Geburt des Friedensfürsten und den Erlöser der Welt herbeisehnen, dürfen gerne noch einmal überlegen, ob Krieg und Gewalt wirklich die letzten Mittel sind? Wer da voll Inbrunst singt: "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit…", der sollte seine Kasernentüren ruhig geschlossen halten. Und wer in freudiger Erwartung in das Adventslied "Oh Heiland, reiß die Himmel auf …" einstimmt, der darf seine Tankflugzeuge, die doch nur noch mehr Kriegsbomber zum tödlichen Ziel bringen, vielleicht doch besser am Boden lassen. "Nun tragt Eurer Güte hellen Schein weit in die dunkle Welt hinein. Freut Euch, Ihr Christen! Freuet Euch sehr. Schon ist nahe der Herr!“


Quelle:
DR