Militärbischof Overbeck zur Flüchtlingsrettung im Mittelmeer

"Die Realität lässt einem den Atem stocken"

Militärbischof Franz-Josef Overbeck fordert von der Politik verstärkte Anstrengungen in der Flüchtlingshilfe. Er begleitete rund 750 deutsche Soldaten bei der Internationalen Soldatenwallfahrt nach Lourdes.

Militärbischof Overbeck (KNA)
Militärbischof Overbeck / ( KNA )

KNA: Herr Bischof, wie haben Sie die Soldatenwallfahrt erlebt?

Franz-Josef Overbeck (katholischer Militärbischof): Ich lerne eine neue Generation von ganz jungen Soldatinnen und Soldaten kennen, die wenig bis gar nicht mehr kirchlich geprägt sind. Die Zugänge zu dieser Wallfahrt mit marianischer Frömmigkeit müssen ihnen erst erschlossen werden. Dennoch sind gerade diese Soldaten oftmals sehr aufmerksam und interessiert. Das merke ich besonders, wenn ich im Zeltlager mit den Soldaten rede. Junge Leute erleben in Lourdes nicht nur die Kirche, sondern auch Internationalität abseits einer Wirklichkeit des Internets und des Handys. Das liegt nicht an den bunten Uniformen, sondern an den Menschen darin.

KNA: Worin besteht für Soldaten der Reiz an Lourdes?

Overbeck: Viele Teilnehmer der Soldatenwallfahrt kommen hier trotz des Trubels innerlich zur Ruhe. Kirche ist auch dafür da, solche Orte zu schaffen. Ganz unterschiedliche Leute kommen in Lourdes zusammen.

Menschen, die keine Christen sind, setzten sich hier vielleicht nicht mit Religion, aber mit ihrem Leben auseinander. Dabei erwarten sie von uns auch Kompetenz. Nach wie vor steht die Soldatenwallfahrt ganz im Geist des Friedens und der Versöhnung. Gemeinsam für diesen Frieden zu beten, sollten wir auf jeden Fall beibehalten.

KNA: Einer der jungen Soldaten, von denen Sie sprachen, hat sich in Lourdes firmen lassen. Was bedeutet so ein Schritt für Sie?

Overbeck: Das ist immer ein wunderbares Ereignis. Der junge Mann ist vor über zwanzig Jahren auch schon in der Kaserne getauft worden, in der sein Vater Soldat war. Die Zahlen von Menschen, die sich in diesem Kontext der Wallfahrt taufen oder firmen lassen, sind klein, aber beständig. Es sind keine Massenbewegungen. Viele Soldaten ganz unterschiedlichen Alters haben mir im Anschluss erzählt, die Firmung des jungen Marinesoldaten wäre ein besonders beeindruckender Moment im Gottesdienst für sie gewesen. Wenn die Menschen auf diese Weise von innen angerührt werden, ist das ein schönes Zeichen, das sich sonst so einfach nicht ergibt.

KNA: In ihrer Predigt haben Sie auf die Situation der Flüchtlinge weltweit hingewiesen. Welche Rolle wünschen Sie sich von der Bundeswehr bei der Flüchtlingsrettung?

Overbeck: Das ist zunächst einmal eine Sache der Politik. Längerfristig stellt sich die Frage, was politisch gemacht werden muss, damit Menschen gar nicht erst fliehen müssen. Lösungen kann man nur Schritt für Schritt erarbeiten. Vor allem aber nicht allein. Das sind internationale Probleme. Mir sagte vor kurzem ein Priester, der demnächst seinen Einsatz auf einer Fregatte antritt, er sei gerne Menschenfischer, aber er habe nicht gedacht, dass er es einmal in diesem Sinne sein müsse. Die Realität lässt einem den Atem stocken.

Halb Europa plantscht im Urlaub sprichwörtlich im Mittelmeer. Auf der anderen Seite werden an diesen Stränden Menschen vom sogenannten Islamischen Staat getötet oder auf Boote geschickt, die untergehen.

Die Soldaten müssen den Menschen, die in eine solche Not geraten sind, in dieser Situation auch militärisch im Sinne von Prävention und erster Hilfe beistehen.

KNA: Welche Herausforderungen ergeben sich daraus auch für die katholische Militärseelsorge?

Overbeck: Wir müssen eine Kirche der Seelsorge sein. Man traut denen am meisten, die einem beistehen. Daher müssen wir besonders in solch schwierigen Situationen für die Soldaten da sein und Solidarität üben. Auf der anderen Seite müssen wir auch den Familien helfen, die zu Hause bleiben. Auslandseinsätze haben mit Blick auf Familie, Partnerschaften und Beziehungen zu Kindern und die Organisation des Alltags gravierende Folgen. Außerdem muss die Militärseelsorge das moralische Verantwortungsbewusstsein der Soldaten im Einsatz zu stärken. Die Bundeswehr braucht fähige Leute, die ihre Entscheidungen ethisch reflektieren. Dafür braucht es mehr, als körperliche Fitness.

Das Interview führte Maike Müller


Quelle:
KNA