Soldatenseelsorger zum Ende der ISAF-Mission

"Die europäische Brille abnehmen"

Pfarrer Mirko Zawiasa ist katholischer Soldaten-Seelsorger im afghanischen Camp Masar-e Scharif. Einen Tag vor dem Ende der ISAF-Mission spricht er im domradio.de-Interview über seine Wünsche für die deutschen Soldaten und die Menschen in Afghanistan.

Afghanistan: Deutsches Mandat läuft aus (dpa)
Afghanistan: Deutsches Mandat läuft aus / ( dpa )

domradio.de: Wie sieht es heute bei Ihnen im Lager aus, einen Tag vor dem offiziellen Ende der Mission?

Pfarrer Zawiasa: Wie an anderen Tagen auch. Die Soldaten haben sich ja lange darauf vorbereitet. So läuft alles planmäßig ab. Man bemerkt allerdings die zunehmende Internationalisierung hier im Camp. Man hört viel mehr andere Sprachen, man sieht andere Menschen. Eine größere internationale Gruppe trifft hier aufeinander.

domradio.de: Wie geht es im Camp weiter - schließlich kehren ja nicht alle Soldaten nach Hause zurück?

Pfarrer Zawiasa: Um so ein Camp unterhalten zu können, müssen die praktischen Arbeiten natürlich weitergehen. Die Soldaten sind zudem schon länger nicht mehr mit Kämpfen sondern mit Beratung und Unterstützung der afghanischen Partner beschäftigt.

domradio.de: Haben Sie als Seelsorger festgestellt, dass das Ende der Mission besondere Sorgen bei den Soldaten geweckt hat?

Pfarrer Zawiasa: Eine gewisse Sorge besteht in der Zahl der noch verfügbaren deutschen Soldaten. Manches muss nun von Soldaten anderer Nationen oder Zivilpersonen wahrgenommen werden, obwohl es Aufgabe der deutschen Soldaten wäre. Da ist die Sorge, ob das alles so klappt.

domradio.de: Was ist Ihr persönliches Fazit: Hat sich der ISAF-Einsatz gelohnt?

Pfarrer Zawiasa: Das kann man nicht abschließend beantworten. Was ich sehe, ist, dass viele Projekte und Prozesse begonnen worden sind. Jetzt wird es darauf ankommen, dass die Menschen in Afghanistan und wir als ihre befreundeten Partner das Erreichte mit Geduld und Ausdauer weiter entwickeln. Dann hat es sich gelohnt.

domradio.de: Was würden Sie denjenigen gerne mal sagen, die die ISAF-Mission jetzt in Grund und Boden kritisieren?

Pfarrer Zawiasa: Denen würde ich dringend raten, die europäische Brille abzunehmen. Mit der kommt man ja auch als Pfarrer hier hin. Man sollte durch eine afghanische Brille schauen und die Geschichte des Landes studieren, nicht nur die letzten fünfzig Jahre. Ich würde ihnen raten, einmal auf die Soldaten zu hören, die hier öfter und länger gewesen sind. Denen mal in Ruhe und genau zuhören, da stellt sich dann oft ein ganz anderes Bild dar, als das jener, die hier mal drei Tage auf Besuch gewesen sind.

domradio.de: Was wünschen Sie sich von der Bundesregierung? Wie sollte die die verbleibenden Bundeswehrkräfte ausstatten, unterstützen?

Pfarrer Zawiasa: Ich wünsche mir, dass die Fachexpertise der Soldaten stärker gewichtet wird und weniger die politischen Wünsche und Rücksichtnahmen im Vordergrund stehen. Das sollte vor dem Horizont der Fürsorge unserer Soldaten und zivilen Mitarbeiter geschehen.

domradio.de: Was ist Ihr wichtigster Wunsch für dieses gebeutelte Land?

Pfarrer Zawiasa: Ich wünsche den Menschen, dass sie die Hoffnung und den Mut bewahren, den ich hier erleben darf . Dass die Verbesserungen im Bereich der Bildung und der medizinischen Versorgung weiter wächst, und dass die Sicherheitslage so bleibt, damit die Krankenhäuser, die Schulen und die Infrastruktur bleiben und wachsen können. Ich wünsche den Afghanen viele gute Freunde in aller Welt, die mit ihnen zusammenarbeiten.

domradio.de: Wie geht es jetzt für Sie persönlich weiter?

Pfarrer Zawiasa: Ich bleibe hier, und ich werde die Soldaten weiter begleiten, täglich die Heilige Messe feiern. Ich bin gespannt, wie sich in so einem Feldlager der Jahreswechsel und auch die Karnevalszeit begehen lassen. Aus gut unterrichteter Quelle habe ich schon ein gewisses heimatliches Alaaf gehört…

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Militärpfarrer Zawiasa / © Volpers (KMBA)
Militärpfarrer Zawiasa / © Volpers ( KMBA )