Militärbischof Overbeck über Putin und den Reiz von Lourdes

"Jeder Machthaber ist ans Recht gebunden"

Die Ereignisse in der Ukraine zeigen für Militärbischof Franz-Josef Overbeck, dass die nach 1989 entstandene politische und militärische Ordnung vor bedeutenden Veränderungen steht. Im Interview kritisiert er, dass in dem aktuellen Konflikt das Recht gebeugt werde.

Bischof Overbeck (dpa)
Bischof Overbeck / ( dpa )

KNA: Herr Bischof Overbeck, in Lourdes hoffen viele Menschen auf ein Wunder und die Heilung von todbringenden Krankheiten. Sie selbst waren mit 38 krebskrank und rechneten fest mit dem Tod - sind aber gesund worden. Welche Gedanken gehen Ihnen durch den Kopf, wenn Sie die vielen Kranken hier sehen?

Overbeck: Vielen Menschen hier sieht man an, dass sie auf Gesundheit für Leib und Seele hoffen. Ich wünsche ihnen, dass ihre Hoffnung sich zumindest ein wenig erfüllt. Was mich angeht, empfinde ich immer wieder Dankbarkeit, gesund leben zu können. Ich weiß aber auch, dass es einen Überschuss an Gesundheit gibt, der nicht von der Medizin abhängt, sondern von einer Kraft, die größer ist als wir. Und das ist für mich Gott.

KNA: Was sagen Sie Menschen, die vergeblich auf ein Heilungswunder hoffen?

Overbeck: Es ist wichtig, zu einer Haltung zu kommen, die Gott alles zutraut, die aber gleichzeitig nicht magisch ist. Wir müssen wissen: Die Wege Gottes sind nicht unsere Wege. Aber Lourdes ist immer ein Ort gewesen, an dem Menschen mit ihren Gebeten und Sorgen Erhörung gefunden haben - nicht nur mit Blick auf körperliche Gebrechen. Diese Bedeutung ist mir viel wichtiger. Ohnehin sind in den mehr als 150 Jahren, die der Wallfahrtsort besteht, relativ wenige Wunder kirchlich offiziell anerkannt worden - keine 70.

KNA: Bei der diesjährigen Wallfahrt ist die Ukraine mit nur einer kleinen Delegation vertreten gewesen, der aber bei der Begrüßung sehr viel Beifall und Sympathie entgegenschlug. Hätten Sie vor einem Jahr gedacht, dass sich die Ukraine zu einem brennenden Krisenherd entwickelt?

Overbeck: Das hätte ich nicht gedacht. Aber ich habe mich schon früh gefragt, wie das System des ehemaligen Präsidenten Janukowitsch einmal enden wird und welche Rolle Russland dabei einnehmen wird. Große Teile der Ukraine und die Krim gehören ja zum Ursprungsgebiet Russlands - übrigens nicht nur politisch, sondern auch religiös. Die Christianisierung Russlands ist vom Gebiet der heutigen Ukraine ausgegangen. Dass die Veränderungen ein solches Gewaltpotenzial angenommen haben, dass dabei das Recht gebeugt wird, kann ich nur stark kritisieren.

KNA: Viele Menschen fürchten einen Rückfall in den Kalten Krieg. Sie auch?

Overbeck: Die Ereignisse zeigen offenkundig: Die Ordnung, die sich nach 1989 und 1990 herausgebildet hat, steht politisch und militärisch vor bedeutenden Veränderungen. Das hat sich schon nach dem 11. September 2001 angedeutet. Wir werden in der Welt zu einer neuen Übereinkunft darüber kommen müssen, wie das Kräftegleichgewicht wieder hergestellt werden kann. Dabei geht es vor allem um zwei Ziele: Wie können wir in rechtlich verlässlichen Beziehungen leben? Und wie lassen sich die Rechte aller demokratisierten Völker achten, ohne gewalttätigen Druck auszuüben? Im Hintergrund stehen letztlich auch wirtschaftliche und soziale Fragen. Ich sehe viele Verlierer und Arme - im Westen und noch offensichtlicher im Osten.

KNA: Welche Fehler hat Putin gemacht?

Overbeck: Als Militärbischof möchte ich kein politisches Urteil über den russischen Präsidenten fällen. Ich weise darauf hin, dass jeder Machthaber an das Recht gebunden ist und dieses einzuhalten hat. Sonst wird er als Politiker auf Dauer keine glückliche und erfolgreiche Hand haben.

Das Interview führte Andreas Otto.


Bischof Overbeck in Lourdes (KNA)
Bischof Overbeck in Lourdes / ( KNA )