Militärbischof bei der Soldatenwallfahrt in Lourdes

"Die Bundeswehr steht vor großen Herausforderungen"

Gemeinsam mit 700 deutschen Soldaten war Militärbischof Franz-Josef Overbeck bei der 55. Internationalen Soldatenwallfahrt im französischen Lourdes. Ein Gespräch über Ökumene in der Militärseelsorge und Seelsorge im Wandel.

Bischof Overbeck mit Soldaten in Lourdes / © Kluge (kmba)
Bischof Overbeck mit Soldaten in Lourdes / © Kluge ( kmba )

KNA: Bischof Overbeck, wie haben Sie die Soldatenwallfahrt in den letzten Tagen erlebt?

Overbeck: Ich habe gemerkt, dass die Soldaten nicht nur die Atmosphäre aufnehmen. Sie beschäftigen sich auch mit inhaltlichen Fragen, die eine Wallfahrt mit sich bringt. Mir ist auch bewusst geworden, dass die Wallfahrt für die meisten Soldaten eine heftige Portion Katholizismus ist. Das sind hier mehr Gottesdienste, als viele im ganzen Jahre erleben. Da müssen wir uns fragen, wie wir darauf vorbereiten können. Ich versuche auch zu zeigen, dass ich in der gleichen Welt wie die Soldaten lebe. Deshalb war ich auch gestern nicht bei der Lichterprozession, sondern habe das Finale der Champions League angeschaut.

KNA: Sie haben in Ihrer Katechese betont, dass Militärseelsorge nur ökumenisch funktioniert. Könnte man sagen, dass es eine Art Modellprojekt der Ökumene ist?

Overbeck: Die Militärseelsorge versteht die Ökumene nicht von ihren Defiziten her. Wir binden die positiven Errungenschaften der Ökumene. Wir sehen, dass auch bei den Soldaten immer weniger zu den Gottesdiensten kommen. Wir müssen also auch die Liturgie anpassen. Dass aber generell immer weniger Soldaten religiös sind, ist auch eine Chance für uns. Ich als Christ bin überzeugt davon, dass alle Menschen Suchende sind. Und diesen Suchenden können wir in der Seelsorge Antworten bieten.

KNA: Wie ist die Einschätzung der Militärseelsorge zu der Neuausrichtung der deutschen Bundeswehr?

Overbeck: Die Bundeswehr steht vor großen Herausforderungen: Sie muss sich völlig neu aufstellen. Die Lebenswelten heute sind anders, auch die Partnerschaften und Familien. Das hat viele Folgen für die Versetzbarkeit von Soldatinnen und Soldaten. Da sind wir als Seelsorger immer Vorreiter gewesen, die Rechte der Familien zu stärken und zu schützen. Da ist manches verbesserungswürdig, aber vieles Gute auch schon geschehen.

KNA: Sie haben eine ethische Prüfung bei neuen Waffensystemen gefordert. Wie soll das konkret aussehen?

Overbeck: Das ist natürlich eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Die Vorstellung von dem, was Krieg ist, muss völlig neu definiert werden. Die neue Bedrohung des Terrorismus und die religiösen Herausforderungen betreffen nicht nur die Bundeswehr, sondern die ganze Politik. Wir müssen auf diese ethischen Fragen in unserer Seelsorge reagieren. Die Personen, die Verantwortung tragen, müssen in ihrem Gewissensurteil so sicher sein, dass sie verantwortlich entscheiden können. Es ist aber auch wichtig, eine politisch-öffentliche Debatte anzuzetteln. Das muss in einen politischen Diskurs eingebracht werden. Verantwortung bleibt aber letztlich an den Menschen gebunden und kann nicht an ein automatisiertes System abgegeben werden.

KNA: Die Teilnehmerzahlen der Wallfahrt sinken, woran liegt das?

Overbeck: Jeder Wallfahrtsort ist gebunden an die geschichtlichen Entwicklungen der Welt. Die Friedensintention der Nachkriegszeit, aus der die Wallfahrt entstanden ist, beschäftigt uns immer noch, aber anders als früher. Pilgern ist in Europa nicht mehr so selbstverständlich. Zudem macht sich auch in der Bundeswehr der demografische Wandel bemerkbar: Es gibt einfach weniger Soldaten. Wir wollen aber auch sicherstellen, dass der Wallfahrtscharakter erhalten bleibt und dass wir nicht als billiges Reiseunternehmen genutzt werden. Wir schließen allerdings niemanden aus, der ernsthaftes Interesse hat.

Das Gespräch führte Barbara Mayrhofer.


Quelle:
KNA