Bundesverteidigungsminister de Maizière über die Bundeswehr

Ein Teil der Friedensbewegung

Manchmal müsse Gewalt angewendet werden, um Gewalt zu beenden, sagt Verteidigungsminister de Maizière im domradio.de Interview. Er betonte die wichtige Rolle der Militärseelsorge bei diesem und anderen Problemen der Soldaten.

de Maizière (li) im Interview (DR)
de Maizière (li) im Interview / ( DR )

domradio.de: Sie haben jetzt zum zweiten Mal im Kölner Dom mit den Soldatinnen und Soldaten Gottesdienst gefeiert. Welche Eindrücke bringen Sie mit?

de Maizière: Das ist ein besonderes Erlebnis. Der Kölner Dom strahlt schon als solches eine Geschichte und Würde aus, die bewegt. Dazu kommt die Musik – ich bin ein großer Freund der Musik. Ein Chor, der weich klingt, die Bläser, die anders klingen als auf einem Exerzierplatz. Eine schöne Predigt. Ich bin evangelisch, und ein wenig neidisch, dass die Katholiken das zeremoniell so schön können - das Sinnliche, was der Mensch ja auch braucht. Dazu die Bitte um Frieden am Beginn eines jeden Jahres - das ist eine bewegende und schöne Sache.

domradio.de:  Sie haben nicht nur in der Bank gesessen, Sie haben auch aktiv mitgewirkt. Sie haben die Lesung vorgetragen, bei der es um den kommenden Friedensfürst geht. Ist die Bundeswehr so etwas wie ein Friedensfürst?

de Maizière: Ja, die Bundeswehr ist Teil der Friedensbewegung, das sehe ich auch so. Ich weiß, das ist umstritten, auch in der Kirche – mit Pax Christi würde man darüber sicher diskutieren. Die Bergpredigt wird oft so übersetzt: „Selig sind die Friedfertigen“. Heute wurde übersetzt: „Selig sind die Friedensstiftenden“. Das gefällt mir besser. Ein aktives Zugehen auf Frieden, der nachhaltig ist –dazu müssen manchmal auch Soldaten ihren Beitrag leisten.

domradio.de: Der Kardinal hat die Bergpredigt auch in seiner eigenen Predigt heute aufgenommen und diese Botschaft für sich aufgelöst. Wie lösen Sie das für sich persönlich?

de Maizière: Es ist ja sogar noch härter; an anderer Stelle heißt es in der Bergpredigt: „Selig sind die, die keine Gewalt anwenden.“ Das ethische Problem, vor dem wir, oder ich als Verantwortlicher stehe, ist: Was ist, wenn man Gewalt anwenden muss, um Frieden zu erzwingen - um die Gewalt zu beenden. Manche sagen, das geht gar nicht, das ist ein Widerspruch in sich, aber die Geschichte zeigt eben, dass es manchmal nötig ist. Das ist dann natürlich eine Frage der Schuld, der Abwägung. Das sind die schwierigsten Entscheidungen, die die Politik zu vertreten hat.

domradio.de: Wie bewerten Sie die Zukunft der Militärseelsorge?

de Maizière: Das ist für uns eine großartige Sache. Die Militärseelsorge segnet ja auch nicht die Waffen, sondern segnet die Soldaten und kümmert sich um die Nöte und Sorgen und Fragen der Soldaten. Viele davon sind gar keine Christen. Aber die Militärseelsorger sind in den Einsatzgebieten wichtige Ansprechpartner außerhalb der militärischen Hierarchie. Ich spreche immer, wenn ich dort bin, mit den Militärseelsorgern. Ich möchte mal etwas kritisches – oder auch zuversichtliches – sagen: Wenn der Typus von Seelsorger, wie diese Militärseelsorger sind, wenn der in unseren Gemeinden in Deutschland mehr Fuß fassen würde, dann stünde es besser um die Akzeptanz der Kirche.

domradio.de: Sie waren kurz vor Weihnachten noch in Afghanistan. Margot Käßmann hat gesagt: „Nichts ist gut in Afghanistan.“ Wie sehen Sie das?

de Maizière: Ich hab mich mit ihr über diesen Satz gestritten; dieser Satz gilt so nicht. Umgekehrt gilt aber auch nicht der Satz „Alles ist gut in Afghanistan.“ Das wäre genauso verkürzend. Der Bundespräsident mahnt dazu, ein realistisches Bild zu malen, und das unterstreiche ich. Die Sicherheitslage ist labil, aber bessert sich leicht. Die Afghanen übernehmen mehr Verantwortung. Die Entwicklung des Landes macht Fortschritte, auf sehr niedrigem Niveau. Die Friedens- und Versöhnungsgespräche insbesondere mit Pakistan kommen in Gang, aber sehr langsam. Wir haben ja noch zwei Jahre Zeit bis zum Ende des jetzigen Mandats. Wir brauchen dort Geduld, Hartnäckigkeit und langen Atem.

Das Gespräch führte domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen.


Quelle:
DR