Der Missbrauchsfall eines inzwischen 87-jährigen Priesters sorgt für Aufsehen. Er war trotz Verurteilungen in drei Bistümern als Seelsorger tätig, auch im Erzbistum Köln. Gegenüber DOMRADIO.DE erklärte der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki zu diesem aktuellen Fall:
"Der Einsatz von Pfarrer A. in der Seelsorge 1989 war ein schwerer Fehler. Aus heutiger Sicht ist klar: Es ist nicht auf die warnenden Stimmen gehört worden, die eine enge Kontrolle von Pfarrer A. gefordert haben. Es ist verheimlicht worden, als die verantwortlichen Pastoralen Dienste im damaligen Dekanat Lövenich nicht ausreichend informiert wurden. Und es ist nicht bestraft worden, als der Kurs der Suspendierung aus vollkommen unerklärlichen Gründen aufgegeben wurde", so der Kölner Erzbischof gegenüber DOMRADIO.DE.
"Das sind einige der traurigen und schmerzhaften Beispiele für die Versäumnisse im Umgang mit Pfarrer A. Als verantwortlicher Bischof habe ich den Sachverhalt untersuchen lassen und ein kirchenrechtliches Strafverfahren auf den Weg gebracht. Das Urteil ist gefällt, die Bestätigung durch die Glaubenskongregation in Rom steht noch aus", so Woelki weiter.
"Aber es geht mir nicht nur um die Konsequenzen für den Täter. Ohne dem Gutachten von Prof. Dr. Gercke vorzugreifen, muss jedem klar sein, dass der wiederholte Einsatz eines verurteilten Straftäters absolut unverantwortlich war. Der gesamte Umgang mit Pfarrer A ist eine jahrzehntelange Aneinanderreihung schwerer Fehler. Und dafür müssen Personen damals verantwortlich gewesen sein, die herausgefunden und benannt werden müssen. Ich habe Herrn Prof. Dr. Gercke, gerade im Rahmen der gebotenen Zurückhaltung gebeten, die Frage der Verantwortung insbesondere in diesem Fall zu klären", erklärt der Kölner Erzbischof.
Bereits im November 2019 hatte sich Kardinal Woelki in einem Interview bei DOMRADIO.DE zu dem Fall geäußert. Das Erzbistum Köln hat zu diesem Fall auch auf der Internetseite FAQs bereitgestellt. (DR/19.11.2020)
26.11.2020
Das vom Erzbistum Köln bisher zurückgehaltene Sondergutachten zu einem zweimal wegen Missbrauchs verurteilten Geistlichen ist jetzt öffentlich zugänglich. Eine Zeitung stellte die Expertise auf seine Homepage.
Die bereits im August vergangenen Jahres vorgelegte Untersuchung ist Teil eines Gesamtgutachtens der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW), dessen Veröffentlichung das Erzbistum wegen "methodischer Mängel" Ende Oktober absagte. Der Kölner Strafrechtler Björn Gercke soll bis 18. März eine neue Untersuchung vorlegen.
Das jetzt im "Kölner Stadt-Anzeiger" nachzulesende Gutachten wirft den verstorbenen Kölner Kardinälen Joseph Höffner (1906-1987) und Joachim Meisner (1933-2017) sowie dem Münsteraner Bischof Heinrich Tenhumberg (1915-1975) vor, "pflichtwidrig" kirchenrechtliche Verfahren gegen den inzwischen 87-jährigen Geistlichen unterlassen und ihn trotz der Kenntnisse über seine sexuellen Übergriffe wieder in der Seelsorge eingesetzt zu haben.
Vorwürfe treffen auch die Ex-Generalvikare Peter Nettekoven (1914-1975) und Norbert Feldhoff (81); letzterer will sich laut "Stadt-Anzeiger" dazu derzeit nicht äußern. Dem früheren Kölner Personalchef und heutigen Hamburger Erzbischof Stefan Heße halten die Gutachter vor, einen 2008 gemeldeten Verdachtsfall gegen den Geistlichen nicht an die dafür zuständige Person im Erzbistum Köln weitergeleitet zu haben. Heße weist die Vorwürfe zurück.
A. war Priester des Erzbistums Köln und war seit 1960 in Köln und dann in Essen-Kettwig tätig, bevor er 1972 wegen "fortgesetzter Unzucht mit Kindern und Abhängigen" zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Danach war er ab 1973 im Bistum Münster eingesetzt, bis er 1988 wegen erneuter sexueller Handlungen an Minderjährigen eine Bewährungsstrafe erhielt.
1989 kehrte A. als Altenheimseelsorger nach Köln zurück. Als Ruhestandsgeistlicher war er dann von 2002 bis 2015 in Bochum-Wattenscheid im Bistum Essen aktiv. 2019 verbot ihm der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki priesterliche Dienste. Inzwischen hat die Glaubenskongregation im Vatikan einen kirchlichen Strafprozess gegen den Geistlichen begonnen, der heute in einem Pflegeheim lebt.
Bischof Overbeck räumt Fehler ein
Woelki bezeichnete vorige Woche den Umgang mit dem Fall als "jahrzehntelange Aneinanderreihung schwerer Fehler". Unverständnis bekundete er besonders darüber, dass Pfarrer A. 1989 wieder in der Altenheimseelsorge eingesetzt wurde und dass der damals begonnene "Kurs der Suspendierung aus vollkommen unerklärlichen Gründen aufgegeben wurde". Zu der Zeit standen Meisner und Feldhoff an der Spitze des Erzbistums, die Woelki aber nicht beim Namen nennt.
Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck räumte auch Fehler von Verantwortlichen in seinem Bistum im Umgang mit dem Fall ein. Auch er persönlich habe Schuld auf sich geladen: Nachdem er 2010 kurz nach seinem Amtsantritt in Essen von dem Fall erfahren habe, habe er sich nicht die Personalakte kommen lassen.
Das Bistum Münster, das neben der Diözese Essen das WSW-Sondergutachten mit in Auftrag gegeben hatte, plädierte für eine Veröffentlichung der Untersuchung. Das Erzbistum Köln lehnt das ab und verweist auf den neuen Untersuchungsauftrag.
Der Missbrauchsfall eines inzwischen 87-jährigen Priesters sorgt für Aufsehen. Er war trotz Verurteilungen in drei Bistümern als Seelsorger tätig, auch im Erzbistum Köln. Gegenüber DOMRADIO.DE erklärte der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki zu diesem aktuellen Fall:
"Der Einsatz von Pfarrer A. in der Seelsorge 1989 war ein schwerer Fehler. Aus heutiger Sicht ist klar: Es ist nicht auf die warnenden Stimmen gehört worden, die eine enge Kontrolle von Pfarrer A. gefordert haben. Es ist verheimlicht worden, als die verantwortlichen Pastoralen Dienste im damaligen Dekanat Lövenich nicht ausreichend informiert wurden. Und es ist nicht bestraft worden, als der Kurs der Suspendierung aus vollkommen unerklärlichen Gründen aufgegeben wurde", so der Kölner Erzbischof gegenüber DOMRADIO.DE.
"Das sind einige der traurigen und schmerzhaften Beispiele für die Versäumnisse im Umgang mit Pfarrer A. Als verantwortlicher Bischof habe ich den Sachverhalt untersuchen lassen und ein kirchenrechtliches Strafverfahren auf den Weg gebracht. Das Urteil ist gefällt, die Bestätigung durch die Glaubenskongregation in Rom steht noch aus", so Woelki weiter.
"Aber es geht mir nicht nur um die Konsequenzen für den Täter. Ohne dem Gutachten von Prof. Dr. Gercke vorzugreifen, muss jedem klar sein, dass der wiederholte Einsatz eines verurteilten Straftäters absolut unverantwortlich war. Der gesamte Umgang mit Pfarrer A ist eine jahrzehntelange Aneinanderreihung schwerer Fehler. Und dafür müssen Personen damals verantwortlich gewesen sein, die herausgefunden und benannt werden müssen. Ich habe Herrn Prof. Dr. Gercke, gerade im Rahmen der gebotenen Zurückhaltung gebeten, die Frage der Verantwortung insbesondere in diesem Fall zu klären", erklärt der Kölner Erzbischof.
Bereits im November 2019 hatte sich Kardinal Woelki in einem Interview bei DOMRADIO.DE zu dem Fall geäußert. Das Erzbistum Köln hat zu diesem Fall auch auf der Internetseite FAQs bereitgestellt. (DR/19.11.2020)