Bischof Dieser wünscht "Zeichen der Reue" von Amtsvorgänger

Zu viel "unverdiente Milde" walten lassen

Nach Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens für das Bistum Aachen hat Bischof Helmut Dieser seinen Amtsvorgänger zu einem "Zeichen der Reue" aufgerufen. Zudem bat er darum, von juristischen Schritten gegen das Gutachten Abstand zu nehmen.

Autor/in:
Andreas Otto
Bischof Helmut Dieser / © Julia Steinbrecht (KNA)
Bischof Helmut Dieser / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Altbischof Heinrich Mussinghoff (80) und auch sein früherer Generalvikar Manfred von Holtum (76) sollten einen "persönlichen Prozess der Selbstreflexion" über ihren Umgang mit Missbrauchsfällen beginnen, sagte Dieser am Montag in einer Video-Pressekonferenz. Er appellierte an die früheren Führungskräfte der Diözese, auf juristische Schritte gegen das Gutachten zu verzichten und die Perspektive der Opfer einzunehmen.

"Unverdiente Milde" gegenüber Verdächtigten und Verurteilten

Das am Donnerstag vorgestellte Gutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) attestiert Mussinghoff, von Holtum und bereits gestorbenen früheren Verantwortungsträgern, am Schutz der Täter und nicht an der Fürsorge für die Opfer orientiert gewesen zu sein. Mussinghoff und von Holtum hätten eine "unverdiente Milde" gegenüber verdächtigten und verurteilten Geistlichen walten lassen und sie oft wieder in der Seelsorge eingesetzt.

Vor der Präsentation des Aachener Gutachtens hatten die beiden Geistlichen darauf hingewiesen, dass dieses aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht veröffentlicht werden dürfe. Den "pauschalen Vorwürfen", er habe sich nicht um die Opfer gekümmert, wies der Anwalt Mussinghoffs in seiner Stellungnahme für das Gutachten zurück. Hätten die Leitlinien der Bischofskonferenz für Missbrauchsfälle von 2010 schon zuvor vorgelegen, hätte es einen anderen Umgang mit den Opfern gegeben. Mussinghoff leitete die Diözese von 1995 bis 2015.

Laut Dieser geht es nicht darum, die Lebensleistung von Mussinghoff oder von Holtum abzuwerten. Mit Blick auf die Missbrauchsfälle sollten sie ihre Verantwortung "im systemischen Ganzen" anerkennen. Dies sei zwar "schmerzhaft", könne aber Opfern helfen, um deren Perspektive es jetzt gehen müsse. Dieser hatte nach eigenen Angaben Mussinghoff am Samstag getroffen.

Unabhängige Kommission etablieren

Dieser bezeichnete das Gutachten, das etwa Vertuschung von Entscheidungsträgern im Zeitraum von 1965 bis 2019 aufklären soll, nur als "ersten Schritt der Aufarbeitung". Er kündigte die Einrichtung einer unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle mit Experten unter anderem aus Wissenschaft und Justiz an. Dies entspreche auch der Vereinbarung zwischen Deutscher Bischofskonferenz und dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung. Zudem wolle er Betroffene ermutigen, einen Beirat zu bilden, der mit dem Bistum bei der Aufarbeitung zusammenarbeitet.

Die Zahlungen an die Opfer für die Anerkennung des Leids erfolgt nach den Worten Diesers nicht aus Kirchensteuermitteln. Das Geld solle aus einem Topf kommen, in den Bischöfe, Priester sowie andere freiwillige Spender einzahlen. Besonders Verantwortliche sollten ein "angemessenes Bußgeld" zahlen, sagte Generalvikar Andreas Frick.

Laut Personalchefin Margherita Onorato-Simonis wurden früher Mitarbeiter mit Hinweisen auf sexualisierte Gewalt von Verantwortlichen weggeschickt und zum Schweigen verpflichtet. Heute werde jedem Verdachtsfall nachgegangen, versicherte sie. Zudem kündigte sie an, dass die Aktenführung modernen Standards angepasst werde. Die Gutachter hatten lückenhafte und gesäuberte Dokumente festgestellt.


Bischof em. Heinrich Mussinghoff / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof em. Heinrich Mussinghoff / © Harald Oppitz ( KNA )

Dompropst Manfred von Holtum neben einem Modell des Aachener Doms / © Julia Steinbrecht (KNA)
Dompropst Manfred von Holtum neben einem Modell des Aachener Doms / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA
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