2019 sind erneut deutlich mehr Menschen aus einer der großen Kirchen in Deutschland ausgetreten als im Jahr zuvor. In der katholischen Kirche waren es 272.771 (2018: 216.078), was einem Anstieg um 26,2 Prozent entspricht. Die evangelische Kirche verzeichnete ebenfalls rund 270.000 Austritte und damit 22,3 Prozent mehr als 2018 (rund 220.000). Noch nie zuvor sind so viele Christen aus der Kirche ausgetreten.
Insgesamt gehören damit noch 22,6 Millionen Bundesbürger der katholischen Kirche an. Das entspricht einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von 27,2 Prozent. Die 20 evangelischen Gliedkirchen haben 20,7 Millionen Mitglieder (24,9 Prozent).
Zusammen gehören 52,1 Prozent (43,3 Millionen) der 83,1 Millionen Bundesbürger einer der beiden großen Kirchen an. Zählt man Orthodoxe (letzte Angabe: rund 1,5 Millionen) und Mitglieder anderer christlicher Gemeinschaften (rund 900.000) dazu, liegt der Anteil der Christen bei 55 Prozent, 2018 betrug er 56 Prozent.
Der größte Anteil der restlichen 45 Prozent gehört keiner Religion an. Zudem gehen Schätzungen von bis zu 4,7 Millionen Muslimen (5,6 Prozent) und knapp 100.000 Juden (0,1 Prozent) aus.
Die Gesamtzahl der Katholiken und der Protestanten ging jeweils um rund 400.000 zurück. Neben den Austritten machen sich hier vor allem demografische Faktoren bemerkbar, weil seit Jahren die Zahl der kirchlichen Bestattungen deutlich höher ist als die der Taufen und Neu- oder Wiedereintritte. Über die Austrittsgründe liegen keine Statistiken vor.
Nach neuesten Statistiken des Vatikan vom März nahm von 2013 bis 2018 die Zahl der Katholiken weltweit um knapp sechs Prozent zu und beträgt nach jüngsten Berechnungen 1,329 Milliarden.
Den höchsten Katholikenanteil in der Bevölkerung weist dabei der amerikanische Doppelkontinent mit fast zwei Dritteln auf (63,7 Prozent). In Europa sind fast vier von zehn Einwohnern katholisch (39,7 Prozent), in Ozeanien jeder Vierte (26,3 Prozent) und in Afrika jeder Fünfte (19,4 Prozent). Schlusslicht ist Asien mit 3,3 Prozent. (kna/26.06.2020)
29.06.2020
272.771 Deutsche haben 2019 die katholische Kirche verlassen. Münsters Bischof Felix Genn macht für den Negativ-Rekord den Umgang mit sexuellem Missbrauch verantwortlich. Was muss sich ändern? Fragen an den "Chef-Kinderschützer" im Vatikan.
DOMRADIO.DE: Stimmen Sie Bischof Genn zu? Haben die Austritte mit dem Missbrauchsskandal zu tun?
Hans Zollner SJ (Leiter des Kinderschutzzentrums an der päpstlichen Universität Gregoriana): Natürlich ist das einer der Hauptgründe, sicherlich, warum Menschen die Kirche verlassen. Sie merken, dass auf der einen Seite Dinge gesagt werden und über Jahrzehnte auch Bemühungen auf dem Weg sind - auf der anderen Seite eine strukturelle Veränderung nicht oder kaum sichtbar ist.
DOMRADIO.DE: Was kann die Kirche tun, damit sich die Lage verändert?
Zollner: Was die Kirche insgesamt tun kann und was alle Verantwortlichen der Kirche tun können, das sind ja nicht nur Bischöfe oder Priester, sondern auch Laien, ist, dass sie konsistent handeln. Dass sie das, was sie sagen, wenn sie über Aufarbeitung und Prävention von Missbrauch reden, tatsächlich auch tun. Dass sie es so einbinden in die Struktur, in die Institution. In die Abläufe der kirchlichen Institutionen jeder Art, von der Schule über die Pfarreien, über karitative Einrichtungen, über Altenheime, über alle Arten von spirituellen Angeboten, dass die Menschen merken, dass sie sich in einem sicheren Raum bewegen und dass sie auch wissen, dass Verantwortung übernommen wird, dort, wo Unrecht geschehen ist.
DOMRADIO.DE: Was muss dazu denn als nächstes konkret passieren hinsichtlich der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche?
Zollner: Das, was in Deutschland gerade geschehen ist: Die Unterschrift der Deutschen Bischofskonferenz und des unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung, Herrn Rörig, zur unabhängigen Aufarbeitung in den 27 Diözesen Deutschlands. Das ist ein tatsächlich wichtiger Schritt. Ich bin schon gewisser Hoffnung, dass das auch einen Schub geben wird, tatsächlich unabhängige Aufarbeitung geschehen zu lassen. Denn für viele Leute ist das der Lackmustest, um zu zeigen, dass auch alle Anstrengungen in Prävention auf einer Suche nach Gerechtigkeit ruht und nicht einfach nur ein Lippenbekenntnis ist.
Das Gespräch führte Katharina Geiger.
2019 sind erneut deutlich mehr Menschen aus einer der großen Kirchen in Deutschland ausgetreten als im Jahr zuvor. In der katholischen Kirche waren es 272.771 (2018: 216.078), was einem Anstieg um 26,2 Prozent entspricht. Die evangelische Kirche verzeichnete ebenfalls rund 270.000 Austritte und damit 22,3 Prozent mehr als 2018 (rund 220.000). Noch nie zuvor sind so viele Christen aus der Kirche ausgetreten.
Insgesamt gehören damit noch 22,6 Millionen Bundesbürger der katholischen Kirche an. Das entspricht einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von 27,2 Prozent. Die 20 evangelischen Gliedkirchen haben 20,7 Millionen Mitglieder (24,9 Prozent).
Zusammen gehören 52,1 Prozent (43,3 Millionen) der 83,1 Millionen Bundesbürger einer der beiden großen Kirchen an. Zählt man Orthodoxe (letzte Angabe: rund 1,5 Millionen) und Mitglieder anderer christlicher Gemeinschaften (rund 900.000) dazu, liegt der Anteil der Christen bei 55 Prozent, 2018 betrug er 56 Prozent.
Der größte Anteil der restlichen 45 Prozent gehört keiner Religion an. Zudem gehen Schätzungen von bis zu 4,7 Millionen Muslimen (5,6 Prozent) und knapp 100.000 Juden (0,1 Prozent) aus.
Die Gesamtzahl der Katholiken und der Protestanten ging jeweils um rund 400.000 zurück. Neben den Austritten machen sich hier vor allem demografische Faktoren bemerkbar, weil seit Jahren die Zahl der kirchlichen Bestattungen deutlich höher ist als die der Taufen und Neu- oder Wiedereintritte. Über die Austrittsgründe liegen keine Statistiken vor.
Nach neuesten Statistiken des Vatikan vom März nahm von 2013 bis 2018 die Zahl der Katholiken weltweit um knapp sechs Prozent zu und beträgt nach jüngsten Berechnungen 1,329 Milliarden.
Den höchsten Katholikenanteil in der Bevölkerung weist dabei der amerikanische Doppelkontinent mit fast zwei Dritteln auf (63,7 Prozent). In Europa sind fast vier von zehn Einwohnern katholisch (39,7 Prozent), in Ozeanien jeder Vierte (26,3 Prozent) und in Afrika jeder Fünfte (19,4 Prozent). Schlusslicht ist Asien mit 3,3 Prozent. (kna/26.06.2020)