Jesuit Mertes gegen sechsstellige Opferentschädigungen

"Strategischer Fehler"

Wie viel sollte die Kirche jedem Missbrauchsopfer als Entschädigung zahlen? Eine Arbeitsgruppe der Bischofskonferenz schlägt eine Pauschale von rund 300.000 Euro pro Fall vor. Dem Jesuitenpater Klaus Mertes ist das zu viel.

Justitia-Figur / © Zolnierek (shutterstock)

Der Jesuitenpater Klaus Mertes wendet sich gegen Entschädigungsleistungen der deutschen katholischen Kirche für Missbrauchsopfer im sechsstelligen Bereich.

Die Höhe solcher Forderungen entspreche dem US-amerikanischen und nicht dem deutschen und europäischen Rechtssystem, schreibt er in einem am Mittwoch auf dem Portal katholisch.de veröffentlichten Beitrag. Er kritisierte, dass Missbrauchsopfern Hoffnung auf solche Summen gemacht worden seien.

Mehr Geld für Missbrauchsopfer möglich

Die Deutsche Bischofskonferenz will die Zahlungen an Missbrauchsopfer neu regeln. Bislang erhalten Betroffene zur "Anerkennung zugefügten Leids" jeweils rund 5.000 Euro, in Einzelfällen auch mehr.

Eine Arbeitsgruppe der Konferenz unter Beteiligung von Missbrauchsopfern plädiert für eine pauschale Entschädigung von rund 300.000 Euro pro Fall oder eine nach Schwere des Missbrauchs gestaffelte Zahlung zwischen 40.000 und 400.000 Euro. Nach Schätzungen könnte sich dies bis zu einer Milliarde Euro summieren. Eine Entscheidung der Bischöfe steht noch aus.

Entschädigungen mit Kirchensteuern finanzieren?

Mertes nannte es einen strategischen Fehler, dass die in der Arbeitsgruppe zuständigen Bischöfe die Höhe der Forderungen nicht zurückgewiesen haben. Denn bei Entschädigungsleistungen in dieser Höhe sei es gar nicht zu vermeiden, dass dafür auch Kirchensteuergelder in die Hand genommen werden müssen. Das falle den Bischöfen nun auf die Füße.

Mertes, der 2010 den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche Deutschlands öffentlich gemacht hatte, äußerte sich zu jüngsten Äußerungen des Trierer Bischofs Stephan Ackermann. Der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz hatte gesagt, Entschädigungen für Missbrauchsopfer seien zumindest teilweise aus der Kirchensteuer zu zahlen. Hier trete die Kirche als Solidargemeinschaft ein, da die meist längst verstorbenen Täter nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden könnten.

Laien in Kollektivhaftung genommen?

Mertes wandte sich dagegen, von einer Solidargemeinschaft zu sprechen, "wenn es um die Haftung für Verbrechen von Tätern und Leitungsversagen im Umgang mit diesen Tätern durch die kirchliche Obrigkeit geht". Kein einziger katholischer Laie tage Verantwortung dafür, "wer die Bistümer regiert, wer zu Priestern geweiht wird und wer Leitungsfunktionen in der Kirche ausübt". Die Verantwortung für die Haftung liege vor allem beim leitenden Klerus.

"Deswegen ist es nachvollziehbar, wenn die Laien jetzt aufbegehren", so der Jesuit. Sie hätten es satt, in Kollektivhaftung genommen zu werden. Der Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, und die Frauenbewegung "Maria 2.0" sehen Entschädigungsleistungen aus Kirchensteuermitteln kritisch.


Klaus Mertes / © Julia Steinbrecht (KNA)
Klaus Mertes / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA