Kardinal Schönborn zum Missbrauch in der Kirche

Eine "massive Realität"

Missbrauch ist nach den Worten des Wiener Erzbischofs Christoph Kardinal Schönborn auch in der Kirche eine "massive Realität". In der Missbrauchsaufarbeitung seien bisher etwa 28 Millionen Euro Wiedergutmachung an Betroffene gezahlt worden.

Symbolbild Missbrauch in der Kirche / © Clearviewstock (shutterstock)
Symbolbild Missbrauch in der Kirche / © Clearviewstock ( shutterstock )

Der Geistliche betonte bei einem Vortrag am Montagabend an der Universität Wien, dass die katholische Kirche in Österreich in Sachen Prävention und Missbrauchsaufarbeitung "Verantwortung übernommen" habe. Dies werde international anerkannt. Die Kirche müsse Opfer ermutigen, über Geschehenes zu reden und sie in der Folge auch unterstützen.

Schönborn lobte die "vorbildliche" Arbeit" der sogenannten Klasnic-Kommission, der sich die Kirche unterstellt habe und deren Empfehlungen eins zu eins umgesetzt worden seien. So seien seit Bestehen der Aufarbeitungskommission etwa 28 Millionen Euro an freiwilligen Wiedergutmachungszahlungen an Betroffene ausgezahlt worden - mit Mitteln aus der "Stiftung Opferschutz", in der alle Diözesen und die Ordensgemeinschaften zusammengeschlossen sind.

Frage nach den Ursachen von Missbrauch

Zur Frage nach den Ursachen von Missbrauch in der Kirche verwies der Kardinal auf Statistiken, wonach mit knapp 60 Prozent ein Großteil der etwa 2.000 an die Klasnic-Kommission herangetragenen Fälle auf die Jahre 1940 bis 1969, weitere 27 Prozent auf den Zeitraum zwischen 1970 und 1979 zurückgehen. "Die Zahlen aus Österreich sprechen eine andere Sprache", entgegnete Schönborn auf Aussagen, wonach Missbrauch durch die sogenannte 68er-Bewegung verstärkt worden sei.

Zweifellos, so der Kardinal, hätten die 68er zu Liberalisierung und Begünstigung von Missbrauch geführt. Das Ausmaß der Missbrauchsfälle in der Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) aber "gibt zumindest zu Denken". Als einen Grund machte er die "Geschlossenheit des Systems" in der Kirche vor dem Konzil aus. Denn, so Schönborn: "In geschlossenen Systemen ist Missbrauch sehr viel häufiger als in offenen."

Mit vollen Kirchen und einem intensiven religiösen Leben sei die Kirche der Zeit vor dem Konzil in vieler Hinsicht faszinierend gewesen, erinnerte der Wiener Erzbischof. "Aber es war auch die Autorität des Priesters in einer Weise überhöht, die ungesund war", fügte er hinzu. "Und es konnten offensichtlich in diesem geschlossenen System Machtmissbrauch und dann auch sexueller Missbrauch Platz finden." Auch das System von Internaten habe zum Missbrauch beigetragen.


Kardinal Christoph Schönborn / © Hans Punz (dpa)
Kardinal Christoph Schönborn / © Hans Punz ( dpa )
Quelle:
KNA