Neuer Film über Missbrauchsopfer

Gegen das Schweigen

François Ozons neuer Film "Gelobt sei Gott" gibt Missbrauchsopfern eine Stimme. Im Mittelpunkt steht Alexandre, der mit anderen Opfern den Verein "La Parole Libérée" gründet, um die Vertuschung der Verbrechen eines Priesters aufzudecken.

Symbolbild Missbrauch: Teddybär in einer Kirchenbank / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Missbrauch: Teddybär in einer Kirchenbank / © Harald Oppitz ( KNA )

Es gibt in diesem Film recht früh eine Schlüsselszene, die körperliches Unwohlsein erzeugt: die persönliche Gegenüberstellung zwischen dem inzwischen erwachsenen Missbrauchsopfer Alexandre (Melvil Poupaud) und dem Täter, Priester Bernard Preynat (Bernard Verley).

Bei dem Treffen, vom Lyoner Kardinal Barbarin (François Marthouret) und einer Kirchenpsychologin (Martine Erhel) organisiert, soll Preynat seine Taten gestehen und um Vergebung bitten. Während Alexandre angesichts seines einstigen Peinigers kaum die Fassung wahren kann, verfällt dieser in Selbstmitleid. Schließlich sollen sie sich die Hand reichen, ein Vaterunser beten und sich versöhnen, so als wäre die Schuld beiderseitig verteilt.

Es ist ein feierlich gemeintes Ritual - und doch bloßes Getue à la "gut, dass wir darüber geredet haben". Erst als Alexandre und seine Mitstreiter sich an die weltliche Justiz wenden und Öffentlichkeit herstellen, kommen die Dinge in Bewegung.

Perspektive der mittlerweile erwachsenen Opfer

François Ozon beleuchtet in seinem neuen Film die Vorgeschichte der noch laufenden Verfahren gegen den Priester Preynat, der von Beginn der 70er bis in die späten 80er Jahre Dutzende Pfadfinder missbraucht haben soll, und gegen dessen Dienstherren Kardinal Barbarin wegen Nichtanzeige. Publik gemacht wurden die Missbrauchsfälle vom Verein "La Parole Libérée", einem Zusammenschluss von Opfern.

Anders als im Reporterdrama "Spotlight", in dem ein Investigativteam das System der Vertuschung von Verbrechen pädophiler Priester aufdeckte, oder im Drama "Glaubensfrage", in dem eine Nonne einen Priester des Missbrauchs eines Ministranten verdächtigt, konzentriert sich Ozon auf die Perspektive der mittlerweile erwachsenen Opfer.

Die Handlung kreist um drei Männer und ist an authentische Zeugnisse angelehnt. Als Alexandre, ein gut katholischer, großbürgerlicher Familienvater, erfährt, dass Preynat trotz seit langem bekannter Verfehlungen immer noch der Umgang mit Kindern erlaubt wird, schreibt er Kardinal Barbarin persönlich an.

Menschen und Milieus werden dynamisch porträtiert

Alexandres Zähigkeit führt zur Gründung des Vereins, zu dessen Wortführer der hitzköpfige François (Denis Ménochet) wird. Während die beiden Männer auf realen Figuren basieren, ist der dritte Charakter, der Außenseiter Emmanuel (Swann Arlaud), aus den Schicksalen anderer Opfer zusammengesetzt.

Das Bestechende an diesem Drama ist die Eleganz und Dynamik, mit der Ozon Menschen und Milieus porträtiert und die individuellen Zerreißproben der Betroffenen und ihrer Familien, die juristischen Winkelzüge und das Auf und Ab der Stimmungen zu einem romanhaft anmutenden, allgemeingültigen Gesamtbild verdichtet.

Eltern und Medien schweigen aus schlechten guten Gründen. Auf der anderen Seite steht die institutionalisierte Verantwortungslosigkeit von Respektspersonen, die aufgrund ihrer gesellschaftlichen Vernetzung kaum befürchten müssen, zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Hommage an ziviles Aufbegehren

Hier ein erhabener, im Mauern geübter Apparat, der Tätern wie Preynat - ebenso beliebt wie narzisstisch und infantil - Schutz bietet; dort dessen unsichtbare Opfer am Ende der Nahrungskette, Kinder aus oft prekären Verhältnissen.

Mit dem Fokus auf die Solidarität der Betroffenen, die sich gegenseitig Mut zu einem öffentlichen Outing machen, ist dieses Drama vor allem eine Hommage an ein ziviles Aufbegehren im Namen von Aufklärung und Gerechtigkeit.

Von Birgit Roschy


Kardinal Philippe Barbarin / © Jean-Matthieu Gautier (KNA)
Kardinal Philippe Barbarin / © Jean-Matthieu Gautier ( KNA )
Quelle:
epd
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