Missbrauchsvorwürfe gegen Priester laut neuer Studie nicht rückläufig

Stößt Präventionsarbeit auf Granit?

Laut einer neuen Untersuchung ist die Zahl der Missbrauchsvorwürfe gegen katholische Priester seit 2009 nicht rückläufig. Auch bei entsprechenden Strafanzeigen gegen Geistliche lasse sich kein Rückgang erkennen, so die veröffentlichte Untersuchung.

Symbolbild Missbrauch / © R.Classen (shutterstock)

"Es ist bemerkenswert, dass die Beschuldigungsquote von Priestern in den vergangenen Jahren nicht zurückgeht, obwohl die Deutsche Bischofskonferenz bereits 2002 Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker erlassen hat, die in den Jahren 2010 und 2013 überarbeitet wurden", wird Harald Dreßing, Leiter Forensische Psychiatrie am ZI und Verbundkoordinator der MHG Studie, zitiert.

Auf Anfrage sagte der Leiter des Forscherteams um den Mannheimer Psychiater Dreßing, eine mögliche Erklärung sei, dass die Prävention bei einigen Priestern "auf Granit stoße", solange "strukturelle Risikofaktoren" wie klerikale Macht, Zölibat oder kirchliche Sexualmoral unverändert blieben.

Priester sind nicht seltener Missbrauchstäter

Die Untersuchung nutzt die Daten der im vergangenen Jahr veröffentlichten MHG-Missbrauchsstudie der Bischofskonferenz und vergleicht sie mit der allgemeinen Kriminalstatistik. Konkret geht es um Hinweise auf Missbrauch in den Personalakten von Priestern und Diakonen aus den Jahren 2009 bis 2015. Die Ergebnisse basieren den Angaben zufolge auf der Analyse von mehr als 38.000 kirchlichen Personalakten.

Dabei berücksichtigt die neue Studie ausschließlich aktuelle Vorwürfe und Strafanzeigen und keine Beschuldigungen zu Taten aus den Jahren vor 2009. Es geht zudem ausschließlich um Übergriffe gegen Kinder, die zum Tatzeitpunkt jünger als 14 Jahre waren.

Die Studie nennt dabei keine absoluten Zahlen, sondern gibt hochgerechnete Quoten pro 100.000 Personen an, um so einen Vergleich zur gesamten männlichen Bevölkerung zu ermöglichen. Dabei kommen die Forscher zu dem Ergebnis, dass die Quote angezeigter Priester etwa genau so hoch sei wie die in der Polizeistatistik berechnete Quote der männlichen Gesamtbevölkerung. Die Vermutung, wonach Priester wegen ihrer besonders moralischen Haltung und Verantwortung seltener zu Missbrauchstätern würden, könne die Studie nicht bestätigen, so die Autoren.

Präventionsarbeit der Kirche intensivieren

Für das Jahr 2015 nennt die Untersuchung beispielsweise 33,4 beschuldigte Priester pro 100.000 (2014: 25,5, 2013: 50,2.) Bezogen auf die Gesamtzahl der katholischen Priester in Deutschland im Jahr 2015 von rund 14.000 ergibt sich dann eine absolute Zahl von 4,7 Neubeschuldigten.

"Für alle betrachteten Jahre geht es um eine niedrig einstellige Zahl von beschuldigten Priestern", so Dreßing: "Das Entscheidende ist aber, dass die Quote nicht kleiner wird." Die neue Untersuchung mache deutlich, dass "sexueller Missbrauch von Minderjährigen durch katholische Priester ein anhaltendes Problem ist, kein historisches". Die Studienautoren fordern daher, die Präventionsarbeit der Kirche besonders bei Priestern zu intensivieren.

Kein neuer Vorwurf bei Diakonen

Dagegen belege die Auswertung, so der Psychiater weiter, dass ab 2010 bundesweit kein neuer Vorwurf des sexuellen Missbrauchs gegen einen Diakon in den Akten verzeichnet sei. Die Studie verweist als eine mögliche Erklärung auf die bei Diakonen "nicht bestehende Verpflichtung zum Zölibat" und auf eine "deutlich geringere Ausstattung mit klerikaler Macht" im Vergleich zu Priestern.

Die Bischofskonferenz hatte die Missbrauchsstudie im vergangenen Herbst veröffentlicht. Demnach wurden in den kirchlichen Akten der Jahre 1946 bis 2014 Hinweise auf bundesweit 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe und auf rund 1.670 beschuldigte Priester, Diakone und Ordensleute gefunden. Vor kurzem kündigte die Kirche an, für den Kampf gegen Missbrauch ein neues Institut zu gründen. Es arbeite mit Wissenschaftlern, Fachorganisationen, Präventionsexperten und Betroffenen von sexualisierter Gewalt zusammen.


Prof. Dreßing / © Dedert (dpa)
Prof. Dreßing / © Dedert ( dpa )
Quelle:
KNA , epd
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