Papst gegen drakonische Lösungen bei Missbrauch

"Schuldige Priester auf dem Petersplatz aufhängen?"

Als Reaktion auf Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche helfen laut Papst Franziskus drakonische Maßnahmen nicht weiter. Bei einem Treffen mit Leiterinnen von Frauenorden verdeutlichte er dies mit einem drastischen Vergleich.

Petersdom und Petersplatz / © Julia Steinbrecht (KNA)
Petersdom und Petersplatz / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Hätte man "hundert des Missbrauchs schuldige Priester auf dem Petersplatz aufgehängt, wären alle zufrieden gewesen, aber das Problem wäre nicht gelöst", sagte Franziskus am Freitag vor Leiterinnen von Frauenorden im Vatikan.

Einige Opferverbände seien unzufrieden mit den Ergebnissen des vatikanischen Kinderschutzgipfels im Februar, sagte der Papst laut der Internetseite Vatican News. "Ich verstehe sie, weil sie innerlich leiden", so Franziskus. Das Problem des Missbrauchs könne in der Kirche aber nicht von einem Tag auf den anderen gelöst werden; ein Prozess habe jedoch begonnen.

Kirchenrechtsnormen drastisch verschärft

Am Donnerstag hatte Papst Franziskus die Kirchenrechtsnormen im Kampf gegen den sexuellen Missbrauch durch Geistliche drastisch verschärft. Ein derartiger Schritt war unter anderem von Opferverbänden, Politikern und zahlreichen Bischöfen der Weltkirche gefordert worden.

Das veröffentlichte Gesetz sieht neue Verfahrensweisen für die Strafanzeige vor und führt eine weltweite Anzeigepflicht ein. Erstmals regelt es die Untersuchung gegen Bischöfe, die Ermittlungen vertuscht oder verschleppt haben. Es verpflichtet die kirchlichen Stellen, die staatlichen Strafermittler in ihrer Arbeit zu unterstützen. Zudem müssen alle Diözesen bis spätestens Juni 2020 ein leicht zugängliches Meldesystem für Anzeigen einrichten.

Metropolitan-Erzbischöfe erhalten besondere Rolle

Zu den wichtigsten Neuerungen gehört ein Verfahren, mögliche Unterlassungen von Verantwortlichen aufzuspüren. Für entsprechende Voruntersuchungen gegen Bischöfe erhalten die Metropolitan-Erzbischöfe eine besondere Rolle. In Deutschland sind dies die Erzbischöfe von Köln, München, Hamburg, Berlin, Paderborn, Bamberg und Freiburg.

Diese können sich weiterer Fachleute, vor allem auch Nicht-Kleriker, bedienen. Dies war unter anderem von amerikanischen Bischöfen gefordert worden, um ein Durchgreifen auch gegen Bischöfe zu ermöglichen. Um Verfahren zu beschleunigen, muss der Vatikan binnen 30 Tagen über den Stand der Voruntersuchungen informiert werden.

Zudem werden alle Kleriker und Angehörigen von Ordensgemeinschaften auch rechtlich verpflichtet, Informationen über möglichen Missbrauch oder eventuelle Unterlassungen beim Kirchenoberen zu melden. Dies gilt künftig nicht mehr nur im Fall minderjähriger und schutzbefohlener Opfer, sondern auch, wenn Ordensfrauen sowie abhängige volljährige Seminaristen oder Ordensnovizen betroffen sind sowie im Fall von Kinderpornografie.

Bisher geltende kirchliche Strafen nicht verschärft

Unberührt bleiben eine Meldepflicht aufgrund staatlicher Gesetze und bestehende Kooperationen zwischen Kirche und Behörden. Bisher geltende kirchliche Strafen werden nicht verschärft. Das Beichtgeheimnis bleibt von den neuen Normen unberührt, aber das bisher für Missbrauchsverfahren generell geltende "päpstliche Geheimnis" wird in einem zentralen Punkt aufgehoben. In dem neuen Gesetz heißt es dazu: "Wer eine Meldung erstattet, dem kann kein Schweigegebot hinsichtlich des Inhalts auferlegt werden."

Die neuen Normen, die Papst Franziskus erlässt, werden vom Vatikan als weiteres Ergebnis des Anti-Missbrauchgipfels Ende Februar im Vatikan vorgestellt. Das sogenannte Motu Proprio trägt den Titel "Vos estis lux mundi" (Ihr seid das Licht der Welt). Die neuen Normen gelten zunächst für drei Jahre und treten am 1. Juni in Kraft.


Papst Franziskus empfängt Ordensoberinnen / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus empfängt Ordensoberinnen / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA