Kardinal Pell in Australien verhaftet

Nicht mehr Finanzminister des Vatikan

Weitere Konsequenzen: Der wegen sexuellen Missbrauchs verurteilte Kurienkardinal George Pell ist in Haft genommen worden. Das ordnete ein Amtsgericht in Melbourne an. Zudem ist er nicht mehr Leiter des vatikanischen Wirtschaftssekretariates.

Kardinal George Pell  / © Erik Anderson (dpa)
Kardinal George Pell / © Erik Anderson ( dpa )

Das Gericht hob die Kaution auf, die Pell nach dem Schuldspruch im Dezember 2018 wegen einer Knieoperation gewährt worden war, wie australische Medien berichten.

Strafmaß wird noch verkündet

Der frühere vatikanische Finanzminister war wegen sexuellen Missbrauchs eines 13-Jährigen und sexueller Belästigung eines weiteren Jungen schuldig gesprochen worden. Ihm drohen bis zu 50 Jahre Haft. Das Strafmaß soll spätestens Mitte März verkündet werden.

Wenige Tage nach dem Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan hatte der Richter am Dienstag in Melbourne das totale Berichterstattungsverbot über den Prozess aufgehoben und das Mitte Dezember einstimmig gefällte Jury-Urteil bestätigt. Pell ist weltweit der ranghöchste katholische Würdenträger, der wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt und verurteilt wurde. Pells Verteidiger kündigten Berufung an.

Nicht mehr Leiter des vatikanischen Wirtschaftssekretariates

Unterdessen teilte Vatikansprecher Alessandro Gisotti am späten Dienstagabend auf Twitter mit, dass Pell nicht mehr Leiter des vatikanischen Wirtschaftssekretariates sei. Dass der Vatikan eine so wichtige Personalie auf Twitter und in englischer Sprache kommuniziert, ist ungewöhnlich.

Die turnusmäßige Amtsdauer für vatikanische Leitungsämter beträgt fünf Jahre und muss dann vom Papst verlängert werden. Pell war im Februar 2014 von Franziskus zum Finanzchef berufen worden. Im Juni 2017 wurde er von der Leitung des Wirtschaftssekretariates beurlaubt, um sich in Australien vor Gericht zu verantworten. Kurz nach dem Schuldspruch durch die australische Jury im Dezember entließ ihn Franziskus aus seinem Beratergremium für die Kurienreform ("K9-Rat").

Der Erzbischof von Melbourne, Peter Comensoli, betonte am Mittwoch gegenüber australischen Medien, Pell sei weiterhin ein "guter Freund". Er werde seinen "Lehrer" und Vorvorgänger im Amt im Gefängnis besuchen. Comensoli fügte hinzu, er werde seine "persönliche Beziehung" zu Pell von seiner Pflicht trennen, sich als Erzbischof "um unsere Leute und besonders um die von sexuellem Missbrauch Verletzten" zu kümmern.

Im Melbourne Assessment Prison inhaftiert

Missbrauchsopfer und ihre Familien fällten unterdessen vernichtende Urteile. Die Eltern zweier von Priestern vergewaltigter Töchter bescheinigtem Pell einen "soziopathischen Mangel an Empathie". Er habe sie "aggressiv schikaniert", als sie ihm im persönlichen Gespräch über den Missbrauch ihrer Töchter berichteten, sagten sie dem Nachrichtenportal "News.com.au". Eine der Töchter hatte sich 2008 mit 26 Jahren das Leben genommen. Ihre Schwester wurde alkoholabhängig und ist seit einem Autounfall schwerbehindert.

Laut australischen Medien wird Pell im Melbourne Assessment Prison inhaftiert, das drei Kilometer von Pells früherer Bischofskirche St. Patrick liegt. Dort hatte sich Pell nach Überzeugung des Gerichts an den beiden Jungen sexuell vergangen.

Vatikanische Glaubenskongregation befasst sich mit Pell

Nach der Verurteilung von Kardinal George Pell wird nun auch die vatikanische Glaubenskongregation aktiv. "Sie wird sich um den Fall kümmern, gemäß den Vorgehensweisen und Zeiten, die die kanonischen Normen dazu vorgeben", erklärte Vatikansprecher Alessandro Gisotti am Mittwoch.

Die Glaubenskongregation ist für die Bearbeitung von Missbrauchsfällen zuständig. Kirchenrichter können die Ermittlungen der australischen Justiz als Beweismaterial verwenden. Als kirchliche Höchststrafe droht Pell die Entlassung aus dem Klerikerstand.


Quelle:
KNA
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