Kirchenvertreter blicken gespannt nach Rom

Anti-Missbrauchgipfel wichtig für Vertrauen

Im Vatikan hat an diesem Donnerstag der Bischofs-Gipfel zum Missbrauchskandal in der katholischen Kirche begonnen. Gespannt schauen auch deutsche Kirchenvertreter auf die Konsultationen. Die Erwartungen sind unterschiedlich.

 (DR)

Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck erhofft sich vom Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan weltweite Fortschritte. Es gehe darum, das Problembewusstsein in allen Bischofskonferenzen und allen Ländern der Erde zu schärfen, sagte er am Donnerstag im ARD-Morgenmagazin.

"Wir sind in Deutschland schon sehr weit." In anderen Ländern sei das anders. Nun sollten Ziele benannt werden, die weltweit bindend seien. So müsse vor allem der Opferschutz "mit allen Konsequenzen" in den Mittelpunkt gestellt werden, sagte Overbeck. Zugleich sei eine klare Haltung in Sachen Prävention und Täterverfolgung notwendig.

Den Zölibat könne man nicht ursächlich verantwortlich für sexuellen Missbrauch machen, betonte der Bischof. Das bestätigten alle Wissenschaftler. Vielmehr sei es notwendig, auf sexuelle Reife zu drängen, die für jeden Menschen von Bedeutung sei - "erst recht für Priester". Zudem gelte es, sensibel zu bleiben für alle Fragen der Beziehungsfähigkeit.

Von diesem Donnerstag bis Sonntag hat Papst Franziskus ein weltweites Treffen zu Missbrauch und Kinderschutz in der katholischen Kirche einberufen. An der Konferenz in Rom nehmen die Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen, einschließlich unierter Ostkirchen, sowie 22 männliche und weibliche Ordensobere teil. Außerdem die Leiter von 14 Vatikan-Behörden sowie einzelne Missbrauchsopfer aus allen Erdteilen.

Sternberg warnt vor zu großen Erwartungen

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, warnt vor zu großen Erwartungen an den Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan. "Ich befürchte, dass wir große Reformschritte nicht von einer solchen Tagung erwarten können", sagte Sternberg der Funke-Mediengruppe (Donnerstag). Das von Donnerstag bis Sonntag dauernde Treffen an sich bewertete der Vertreter des höchsten repräsentativen Gremiums des deutschen Laien-Katholizismus positiv:

"Niemand wird nach dieser Konferenz noch sagen können, dass ein Land oder eine Region nicht betroffen wäre", so Sternberg. Er erwarte, dass die Reformwilligen in der Kirche nicht ausgegrenzt würden.

Der ZdK-Präsident äußerte zudem die Hoffnung, dass die nationalen Bischofskonferenzen gestärkt werden, "damit ein einheitliches Vorgehen bei Missbrauchsskandalen möglich wird. Es gibt kirchliche und staatliche Gesetze, die konsequent angewandt werden müssen", betonte Sternberg weiter. Er bemängelte, dass es bei den deutschen Bistümern dieses einheitliche Vorgehen nicht gebe und dass die Aufklärungsarbeit sehr unterschiedlich laufe.

Die Erschütterung in Deutschland sei zu Recht sehr groß:. "Die katholische Kirche in Deutschland hat erkannt, dass etwas passieren muss. Es gibt den klaren Willen zu Reformen und zu Mechanismen, die einen weiteren Missbrauch verhindern", erklärte Sternberg: "Wir werden hart arbeiten müssen, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Das gilt nicht nur für Bischöfe und Priester, sondern auch für die Laien."

Bedford-Strohm sieht Kirchen in "Vertrauenskrise"

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sieht die Kirchen in einer "schmerzhaften Vertrauenskrise". Der bayerische Landesbischof sagte ebenfalls den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstag): "Ganz gleich ob evangelisch oder katholisch oder orthodox oder freikirchlich: Wo immer Handlungen passieren, die Leben zerstören, wird das mit Füßen getreten, wofür wir als Kirchen in der Nachfolge Jesu Christi stehen.

In dieser Situation wenden sich Menschen von der Kirche ab." Über deutlich erhöhte Austrittszahlen für das vergangene Jahr sei schon berichtet worden. Genaue Zahlen werde man im Juli vorlegen, kündigte Bedford-Strohm an: "Darin kommt eine schmerzhafte Vertrauenskrise zum Ausdruck."

Vor diesem Hintergrund begrüße er ausdrücklich, "dass Papst Franziskus die intensiven Debatten der katholischen Kirche um sexualisierte Gewalt nun in einem Bischofstreffen zusammen führt, um daraus die notwendigen Schlüsse zu ziehen". Auch die evangelische Kirche wie alle anderen gesellschaftlichen Akteure müssten Präventionskonzepte und zielgenaue Aufarbeitung konsequent weiterentwickeln.

Kirchenrechtlerin Wijlens sieht wichtiges Signal

Die Professorin für Kirchenrecht an der Universität Erfurt und Mitglied in der Päpstlichen Kinderschutzkommission, Myriam Wijlens, sieht im Gipfel ein sehr wichtiges Signal. "Das Treffen im Vatikan eröffnet zum ersten Mal eine globale Perspektive auf die Dimensionen des Missbrauchs in der Kirche, und es ermöglicht den Vertretern der einzelnen Ortskirchen, miteinander ins Gespräch zu kommen und im Kampf gegen den Missbrauch voneinander zu lernen", sagte Wijlens dem Portal katholisch.de in Bonn.

Die Kirchenrechtlerin glaube zudem, dass vom Treffen statt einer globalen Lösung eher "dezentrale Regelungen" ausgehen. Das staatliche Strafrecht sei in den Ländern teilweise sehr unterschiedlich und "auch die gesellschaftliche Dimension im Umgang mit Missbrauch berücksichtigen muss".


Bischof Franz-Josef Overbeck im Profil / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Franz-Josef Overbeck im Profil / © Harald Oppitz ( KNA )

ZdK-Präsident Thomas Sternberg / © Julia Steinbrecht (KNA)
ZdK-Präsident Thomas Sternberg / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Heinrich Bedford-Strohm / © Harald Oppitz (KNA)
Heinrich Bedford-Strohm / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA
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