Aufarbeitung von Missbrauch im Kloster Ettal

Es geht auch anders

Nach dem vorläufigen Scheitern der Missbrauchs-Studie ist die katholische Kirche stark in die Kritik geraten. Als gelungenes Beispiel im Umgang mit der heiklen Problematik gilt das Vorgehen der Benediktiner im Kloster Ettal - auch nach Rückschlägen. 

Autor/in:
Barbara Just und Christian Wölfel
 (DR)

"Wolfgang F. nimmt sich das Leben." Der Eintrag auf der Internetseite des Vereins «Ettaler Misshandlungs- und Missbrauchsopfer» ist vom 4. Oktober 2012. F. war demnach ein anerkanntes Opfer, das durch das Publikwerden der unseligen Vergangenheit des Klosters Anfang 2010 erneut traumatisiert wurde. Die neu aufgebrochene Wunde ließ sich offenbar nicht mehr heilen. Solche Nachrichten sind Rückschläge in der Aufarbeitung des Skandals in der oberbayerischen Benediktinerabtei.

"Abt Barnabas Bögle hat sich dem Aufklärungskurs verschrieben und zieht ihn durch", sagt Opfervereins-Vorsitzender Robert Köhler. Köhler sorgte mit dafür, dass Misshandlungen und Missbrauch an ihm und seinen Leidensgenossen heute mehr als nur Zahlen sind. Nach Bekanntwerden der jahrzehntelang anhaltenden Übergriffe in Internat und Schule der Abtei gründeten die Betroffenen einen Verein. Ein zäher, aber letztlich erfolgreicher Kampf um Anerkennung begann. Zwei Jahre, die zu Lasten der Familie gingen, wie Köhler sagt.

Kooperation von Opferverein und Kloster

In der Anfangsphase war es das Erzbistum München-Freising, das die Ettaler Benediktiner geradezu nötigte, die Vorwürfe aufzuklären. Die Schicksale der Opfer trug im Februar 2010 ein von der Erzdiözese eingesetzter Sonderermittler zusammen, dann beschäftigte sich ein weiterer Jurist mit den Fällen. Im November 2010 holte das Kloster Hans-Joachim Jentsch. Der Ex-Bundesverfassungsrichter sollte die Aufklärungsarbeit erneut überprüfen. Der Opferverein reagierte anfänglich verhalten. Doch der damals 73-jährige Jurist gewann das Vertrauen beider Seiten.

Die Benediktiner stimmten einem "Täter-Opfer-Ausgleich" zu, Mediatoren wurden eingeschaltet. Es gab Entschädigungszahlungen, insgesamt 700.000 Euro an 70 Betroffene. Auch die wissenschaftliche Aufarbeitung war ein Wunsch der Opfer. Das Kloster stimmte zu, erteilte dem Institut für Praxisforschung und Projektberatung (ipp) in München den Auftrag und ließ auf seine Kosten forschen. Der Opferverein hatte das ipp ausgesucht.

Zwei Jahre lang, bis Oktober 2012, dauerte die empirische Arbeit, sagt ipp-Geschäftsführer Florian Straus. Der promovierte Sozialpsychologe sagt, es habe viel Zeit gebraucht, um Vertrauen aufzubauen. Die Kooperation von Opferverein und Kloster sei stets gegeben gewesen. Angeforderte Unterlagen wurden zur Verfügung gestellt, wie Straus betont. Es gab Gespräche mit Patres und mit Opfern, denen Anonymität zugesichert wurde. Geklärt werden sollte unter anderem, wie es zu den Übergriffen kommen konnte und warum die Vorfälle solange nicht bekannt wurden.

Bericht wird veröffentlicht

Die Frage nach den Personalakten stellte sich jedoch im Gegensatz zu der geplanten Studie der Bischofskonferenz nicht, erläutert Köhler. Schließlich seien die Täter bekannt. In der Ettaler Untersuchung werde in einem eigenen Kapitel auch die Frage nach den Folgen für die Opfer beantwortet sowie Ursachenforschung betrieben. Erste Ergebnisse wurden bereits im Oktober bei einem Treffen mit Betroffenen, ehemaligen Schülern und der Klosterleitung diskutiert. Mangelnde Ausbildung der Erzieher, zu große Gruppen und auch die Autarkie des Klosters hätten die Übergriffe begünstigt, lautete das knappe Fazit.

Die Zusammenarbeit zwischen Verein und Kloster funktioniert bis heute stabil. Das zeigt auch das Schreiben des Abtes vom Dezember 2012 an die Altettaler. Darin zitiert er aus der "ausgewogenen Zusammenfassung" von Köhler über das Oktober-Treffen. "Das Kloster behandelt die von Gewalt und Missbrauch Betroffenen mit Respekt", heißt es da und: "es gab keinen Raum für eine Polarisierung zwischen den ehemaligen Schülern".

Ende März sollen die Endergebnisse der externen Studie vorliegen. Sowohl Kloster als auch Opferverein dürften dann noch Anmerkungen machen, berichtet Köhler. Die Erkenntnisse sollen in das Präventionskonzept der Benediktiner einfließen. Bleibt die Frage, ob der Bericht veröffentlicht wird. Für den Verein gibt es nur eine Antwort: Ja.


Quelle:
KNA