Kirche zieht Zwischenbilanz im Kampf gegen Missbrauch

"Auf dem richtigen Weg"

Mit einem internationalen Kongress zieht die katholische Kirche in dieser Woche in Freising eine Zwischenbilanz zu ihrem Kampf gegen sexuellen Missbrauch. Vorab zeigten sich die Verantwortlichen zufrieden mit dem bisher Erreichten.

 (DR)

"Wir sind auf dem richtigen Weg", sagte der designierte maltesische Weihbischof Charles J. Scicluna am Montag (29.10.2012) vor Beginn der Tagung bei einer Pressekonferenz in München. 70 Prozent aller 113 nationalen katholischen Bischofskonferenzen hätten inzwischen eigene Richtlinien erlassen. Das sei eine "sehr gute Marke".



In Nord- und Südamerika hätten inzwischen alle Bischofskonferenzen die Maßgabe der Römischen Glaubenskongregation erfüllt, erläuterte deren langjähriger "Oberstaatsanwalt". Scicluna war Anfang Oktober vom Papst zum Weihbischof in seiner Heimat Malta ernannt worden. In Afrika fehlten jedoch noch mehr als die Hälfte. Dies erfülle ihn mit einer gewissen Sorge. Im europäischen Raum stünden 7 von 33 Konferenzen in der Bringschuld, und zwar Bulgarien, Kroatien, Lettland, Rumänien, die Türkei, Ungarn sowie Weißrussland.



Im Mai 2011 hatte die Glaubenskongregation alle nationalen Bischofskonferenzen angehalten, binnen eines Jahres eigene Richtlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche zu erlassen. Im Mai und Juni dieses Jahres seien entsprechende Mahnschreiben verschickt worden, sagte Scicluna. In Deutschland gibt es solche Vorgaben bereits seit 2002. Sie wurden nach dem Missbrauchsskandal 2010 überarbeitet.



Als "sehr positiv" vermerkte der Kirchenjurist Fortschritte in der Zusammenarbeit der Kirche mit staatlichen Behörden. Eine Nicht-Zusammenarbeit sei "out", so Scicluna. Auch in Ländern, wo es keine Anzeigepflicht gebe, seien kirchliche Verantwortungsträger verpflichtet, die Opfer in der Wahrnehmung ihrer Rechte zu unterstützen.



Null Toleranz

Die englische Psychiaterin Sheila Hollins, die bei dem dreitätigen Kongress einen der Hauptvorträge halten wird, sagte, der Schutz von Minderjährigen und anderen verletzlichen Erwachsenen vor Missbrauch müsse für die Kirche eine "weltweite Priorität" haben. Dies erfordere eine Transparenz. Sowohl Priestern wie Laienmitarbeitern müsse klargemacht werden, dass es keinerlei Toleranz gebe für missbräuchliches Verhalten. Niemand, der in der Kirche arbeite, dürfe vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt werden, wenn ein Missbrauch ans Tageslicht komme.



Hollins sagte, ihr Interesse sei vor allem, Kirchenverantwortlichen dabei zu helfen, ihre Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern. Missbrauchsopfern zuzuhören sei schmerzhaft und erfordere viel Geduld und Einfühlungsvermögen. Für das Opfer wiederum sei es ein wesentlicher Teil seines Heilungsprozesses, dass ihm geglaubt werde.



E-Learningprogramm

Bei der Konferenz wird auch ein mehrsprachiges E-Learningprogramm für Kirchenmitarbeiter vorgestellt. Die erste Lerneinheit zum "Grundverständnis von sexuellem Kindesmissbrauch" wurde bereits Anfang des Monats auf Englisch, Italienisch und Deutsch freigeschaltet. Die spanische Version soll im Januar 2013 folgen. An dem Kurs sind derzeit 235 Personen und 26 Trainer aus Partnerorganisationen in sechs Ländern beteiligt. Entwickelt wird das Präventionsprogramm vom katholischen Kinderschutzzentrum in München, getragen von der Erzdiözese und der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom.



Der Vizerektor der Gregoriana, Pater Hans Zollner, sagte, in vielen Ländern sei effektiver Kinderschutz nur auf dem Papier vorhanden. Dort könne die Kirche ein wichtiger Verbündeter bei der Bekämpfung dieses Unrechts sein. Auch wenn das Thema Missbrauch seit einigen Monaten "mindestens in unseren Breiten" nicht mehr im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit stehe, sei das kein Grund für Kirche und Gesellschaft, "nicht Verantwortung für die Vergangenheit zu übernehmen und an einer besseren Zukunft zu arbeiten", so der Jesuit.