Die Heimkinder-Hotline der katholischen Kirche endet

Gedemütigt und missbraucht

Vor zweieinhalb Jahren richtete die katholische Kirche in Deutschland eine Hotline für ehemalige Heimkinder ein. Es war das bundesweit erste Angebot dieser Art. Nun endet es. Eine Bilanz zeigt: Die Betroffenen leiden bis heute an ihren Erfahrungen.

 (DR)

Die Heimkinder-Hotline der katholischen Kirche schließt am Samstag. Das gab die Deutsche Bischofskonferenz am Montag in Bonn bekannt. "Nach einer mehrjährigen erfolgreichen Arbeit ist dieses Angebot der Kirche nicht länger notwendig, weil unterdessen sehr gute andere Angebote geschaffen wurden", erklärte der Bischofskonferenz-Vorsitzende, Erzbischof Robert Zollitsch.



Seit Januar 2010 meldeten sich den Angaben zufolge 909 Betroffene bei der Hotline, dem bundesweit ersten Angebot dieser Art. Es richtete sich an ehemalige Heimkinder, die zwischen 1945 und 1975 in katholischen Einrichtungen schlechte Erfahrungen gemacht hatten. Von den 909 Personen nutzten 645 telefonisch und 264 im Rahmen einer Online-Beratung die Hotline. Insgesamt gab es 1.959 telefonische Beratungsgespräche, die meistens zwischen 15 und 60 Minuten dauerten. Unter den Anrufern, die überwiegend im Alter zwischen 40 und 70 Jahren waren, befanden sich 55 Prozent Männer.



Folgen bis heute

Von den Anrufern berichteten 73 Prozent den Beratern von körperlichen Strafen, 53 Prozent von Abwertungen, 48 Prozent von Demütigungen und 46 Prozent von einer rigiden Disziplin. 243 Anrufer gaben an, sexuellen Missbrauch durch Erwachsene im Heim, in der Gruppe oder durch Menschen außerhalb des Heims erfahren zu haben. Viele Betroffene litten noch heute unter ihren damaligen Erfahrungen, hieß es. Sie berichteten von Ängsten und Zwängen, mangelndem Selbstwertgefühl und fehlender Bindungsunfähigkeit, von gescheiterten Beziehungen zu Partnern und Kindern sowie psychischen Störungen und körperlichen Erkrankungen. Einsamkeit sei vor allem bei alleinstehenden alten Menschen ein wichtiges Thema gewesen.



Zollitsch bezeichnete die Hotline als einen wichtigen Schritt zur Aufklärung und Aufmerksamkeit. "Vor allem hat die Hotline ein Gesprächsangebot für Heimkinder ermöglicht, das ihnen die notwendige und in der Vergangenheit oft versagte Aufmerksamkeit geschenkt hat." Ähnlich äußerte sich die Leiterin der Hotline, Margarete Roenspies-Deres. Zugleich räumte sie ein, dass nach Ansicht mancher Betroffener das Angebot zu spät gekommen sei.



Hilfsangebote gibt es weiterhin

In den 50er und 60er Jahren gab es nach wissenschaftlichen Studien insgesamt rund 800.000 Heimkinder, davon waren etwa 300.000 in katholischen Einrichtungen untergebracht. Die bundesweite Hotline für ehemalige Heimkinder war ein Angebot der Ehe-, Familien- und Lebensberatung im Erzbistum Köln im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz, des Deutschen Caritasverbandes, der Deutschen Ordensobernkonferenz und des Bundesverbandes katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen.



Hilfsangebote gibt es weiterhin: Bereits seit Januar können sich ehemalige Heimkinder, die zwischen 1950 und 1975 eine Zeit lang in einem oder mehreren Kinderheimen in der Bundesrepublik Deutschland waren, an die Anlauf- und Beratungsstellen des Fonds Heimerziehung in den westdeutschen Bundesländern wenden. Dieser Fonds wird von der katholischen und der evangelischen Kirche, vom Bund und von den westdeutschen Bundesländern getragen.



Für ehemalige Heimkinder aus der DDR werden der Bund und die ostdeutschen Bundesländer vergleichbare Anlauf- und Beratungsstellen zum 1. Juli in diesen Bundesländern errichten.