US-Kardinal Rigali geht nach turbulenten Monaten in Ruhestand

Ein Missbrauchsskandal als Erbe

Mit 76 Jahren hat Kardinal Justin Rigali die Leitung seines Erzbistums Philadelphia abgegeben, dem er seit 2003 vorstand. Nach außen hin ist es ein ganz normaler Rücktritt aus Altersgründen.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Papst Benedikt XVI. nahm den Amtsverzicht am Dienstag (19.07.2011) unter Verweis auf den entsprechenden Pensionierungs-Paragraphen can. 401 § 1 des katholischen Kirchenrechts an. Für manche ist der Abschied Rigalis aber auch verbunden mit dem Missbrauchsskandal, der die letzten Monate seiner Amtszeit erschütterte.



Ein im Februar veröffentlichter Untersuchungsbericht warf dem Erzbistum vor, über Jahrzehnte übergriffige Priester im Seelsorgedienst belassen zu haben. Die "Grand Jury", ein staatsanwaltlicher Ermittlungsausschuss, bewertete Anschuldigungen gegen 37 Geistliche als glaubwürdig, sie hätten Minderjährige missbraucht oder sich ihnen gegenüber "unangemessen verhalten". Bereits 2005 hatte ein anderer Report einer "Grand Jury" von ernstzunehmenden Missbrauchsvorwürfen gegen 63 Priester berichtet.



Rigali beteuerte, sein Erzbistum habe seit 2005 "hart gearbeitet" und gemeint, signifikante Fortschritte beim Schutz von Kindern und im Umgang mit Missbrauchsfällen gemacht zu haben. Auch wies er darauf hin, dass die jüngsten Untersuchungen durch Hinweise der Erzdiözese an die Distriktstaatsanwaltschaft angestoßen worden seien.



Schatten auf die letzte Amtszeit

In Reaktion auf den Bericht ließ der Kardinal die dort genannten Verdachtsfälle nochmals prüfen. Aufgrund ihrer Empfehlungen und gestützt durch Gutachten eines Gerichtspsychiaters wurden zunächst 21 Priester beurlaubt; 8 weitere vorübergehende Suspendierungen folgten. Ein Geistlicher war nach Kirchenangaben bereits entpflichtet, zwei hatten ihren Dienst aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Zwei andere, die Ordensgemeinschaften angehörten, arbeiteten nicht mehr in Philadelphia. Ihre Oberen wurden laut Mitteilung des Erzbistums informiert.



In einer öffentlichen Erklärung entschuldigte sich der Kardinal bei den Opfern und bei den Gläubigen: "Es tut mir aufrichtig leid für die Verletzungen, die den Missbrauchsopfern zugefügt wurden wie auch den Mitgliedern unserer Gemeinschaft, die aufgrund dieses großen Übels und Verbrechens leiden." Für Kritiker kam das zu spät. Sie werfen ihm vor, sich noch im Februar zu ausweichend verhalten zu haben.



Das wirft einen Schatten auf die letzte Amtszeit des aus Los Angeles stammenden Kirchenmanns, der nach beruflichen Stationen in der vatikanischen Bischofskongregation und als Erzbischof von St. Louis in Missouri schließlich die Leitung des Erzbistums Philadelphia übernahm. Die Metropole im Bundesstaat Pennsylvania mit 1,5 Millionen Katholiken sollte der Schlusspunkt einer soliden Kirchenkarriere werden. Zwei Wochen nach dem Amtsantritt nahm Johannes Paul II. Rigali ins Kardinalskollegium auf.



Nachfolger bereits ernannt

Doch Rigali habe nicht die nötigen Führungsqualitäten gezeigt, sei nicht offen genug mit der Missbrauchskrise umgegangen, schreibt nun etwa die "New York Times". Die Zeitung zitiert den Jesuiten und Publizisten Thomas J. Reese: Weil Rigali das übliche Pensionsalter erreicht habe, könne man nicht mehr argumentieren, er habe wegen des Skandals auf die Leitung verzichtet. "Natürlich möchte der Vatikan nie den Eindruck erwecken, dass jemand auf Druck zurücktreten musste", so Reese.



Den Nachfolger Rigalis ernannte der Papst bereits: Es ist Charles J. Chaput, seit 1997 Erzbischof von Denver. Der 66-jährige Kapuziner wurde von Benedikt XVI. zuletzt mehrfach als "Troubleshooter" in schwierigen Missionen eingesetzt, etwa als Visitator in Australien und bei den von Skandalen erschütterten "Legionären Christi". Bei verschiedenen Gelegenheiten wandte sich Chaput klar gegen eine Aufweichung des Lebensschutzes und der traditionellen Familie. In einem Buch rief er die US-Katholiken auf, eine "aktivere, vernehmlichere und moralisch konsequentere Rolle" im politischen Leben zu spielen.