Vatikan startet Aufarbeitung irischer Missbrauchsskandale

Mission unter großer Beobachtung

Mit einem Krisengipfel der Hauptakteure hat der Vatikan die Weichen für die bevorstehenden Visitationen in der von Missbrauchsskandalen schwer erschütterten Kirche von Irland auf den Weg gebracht. Der Papst hat die Aufgabe vier erfahrenen Kirchenmännern anvertraut.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Die Inspektoren sollen mit ihren Untersuchungen der in ihren Grundfesten erschütterten Kirche Vertrauen zurückgeben. Nacheinander trafen sich zunächst die Spitzen der vatikanischen Bischofskongregation mit den vier Kardinälen oder Erzbischöfen, die als "Visitatoren" die Untersuchungen in den vier betroffenen irischen Diözesen vornehmen sollen. In einer zweiten Runde kamen deren Oberhirten hinzu, um das Vorgehen zu konkretisieren. Im Zentrum der Aufarbeitung müssten die Opfer und deren Familien stehen, heißt es in einer Vatikanerklärung.



Nähere Angaben über Termin, Ablauf und Gesprächspartner der "Visitatoren", die mit der Funktion von Inspektoren die Situation vor Ort überprüfen und dann dem Papst ihren Bericht übergeben, machte der Vatikan bislang nicht. Beobachter gehen davon aus, dass die Besuche sicher noch in diesem Monat beginnen.



Vier erfahrene Kirchenmänner im Einsatz

Mit dieser heiklen Mission, die der in ihren Grundfesten erschütterten Kirche Vertrauen zurückgeben soll, hat der Papst vier erfahrene Kirchenmänner beauftragt: den früheren Erzbischof von London, Kardinal Cormac Murphy O"Connor (78), der den zentralen irischen Kirchensitz Armagh untersuchen soll, sowie drei irischstämmige Nordamerikaner. Die sind Kardinal Sean Patrick O"Malley von Boston (66), der die Erzdiözese Dublin inspiziert, sowie die Kanadier Thomas Christopher Collins (63) von Toronto für das Bistums Cashel an Emly und Erzbischof Terrence Thomas Prendergast (66) von Ottawa, der die Untersuchungen in der Erzdiözese Tuam leitet.



Bereits bei ihrer Nominierung im Mai hatte Benedikt XVI. vier Hauptziele seiner Initiative genannt: den Bischöfen, dem Klerus, den Ordensleuten und den Laien bei der Aufarbeitung der tragischen Vorfälle zu helfen; zur geistigen und moralischen Erneuerung beizutragen, wie sie die irische Kirche bereits eingeleitet habe; die Vorgänge selbst und die Maßnahmen zur Hilfe für die Opfer zu überprüfen; Möglichkeiten zur Verbesserung der Prävention mit Blick auf die Normen des Vatikan vorzulegen.



Hirtenbrief an die irischen Katholiken

Nach Abschluss des römischen Vorbereitungsgipfels äußerten sich nun alle Teilnehmer "hoffnungsvoll, dass der beträchtliche Aufwand tatsächlich ein Instrument der Reinigung und der Heilung" für die Kirche in Irland werde, so heißt es im Kommunique. Vorbereitung dafür leistete Benedikt XVI. mit seinem Brief vom 20. März, mit dem er die Opfer sexuellen Missbrauchs durch katholische Geistliche "im Namen der Kirche" um Verzeihung bat. Der Papst bekundete Scham und Reue, äußerte sich "schockiert und verletzt" über die sündigen und kriminellen Handlungen durch Geistliche und rief die Täter zur Rechenschaft vor weltlichen und kirchlichen Gerichten. Deutlich hatte er damals auch "schwere Fehlurteile und Versagen" auf Seiten von Bischöfen eingeräumt.



Mission unter großer Beobachtung

Der Papstbrief im März war zwar speziell an die Kirche in Irland gerichtet. Sie ist ganz besonders von den Missbrauchsskandalen betroffen, was die Zahl der Opfer und den kirchlichen Glaubwürdigkeitsverlust betrifft. In der Sache galt das Schreiben jedoch der Gesamtkirche. Inzwischen hat der Vatikan seine bereits weitreichenden Normen von 2001 für Reaktion und Prävention in Missbrauchsfällen nochmals präzisiert und verschärft. Daher wird die vatikanische Visitation in Irland, vor allem aber deren Erkenntnisse und Umsetzung auch in anderen Regionen mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt: als ein weiterer Schritt, wie die katholische Kirche den Kampf gegen die Missbrauchsskandale führt.