Erzbischof Schick über Macht und deren Missbrauch

"Allergisch gegen Ausdrücke wie: Meine Diözese"

Die katholische Männerarbeit diskutiert das Thema "Mann und Macht". Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, in der Bischofskonferenz zuständige für die Männerseelsorge, spricht im Interview über Machtmissbrauch, die aktuellen Bezüge des Themas und den richtigen Umgang mit Macht.

 (DR)

KNA: Herr Erzbischof, die katholische Männerarbeit hat sich des Themas «Mann und Macht» angenommen. Hat dies ursächlich etwas mit der Debatte um Missbrauch und Misshandlungen zu tun?
Schick: Als das Thema formuliert wurde, hatte es längst nicht diese Brisanz. Doch natürlich hat Macht sehr viel mit Missbrauch und Misshandlungen zu tun. Ob in den Kirchen, in den Familien, in den Internaten, Schulen und Sportvereinen, sexueller Missbrauch und Machtmissbrauch hängen zusammen. 80 Prozent der Täter sind Männer und 80 Prozent der Opfer sind Frauen. Die Diskussion darüber darf aber keine Eintagsfliege sein, sondern muss ein Dauerthema werden.

KNA: Inwiefern?
Schick: Das geht viel weiter. Ob bei Prügelstrafen, bei Gewalt im Alttag - ich denke an den Fall Dominik Brunner - oder bei Zwangsprostitution und Mobbing spielt Macht eine Rolle. Selbst in der Wirtschaft, etwa beim Bankencrash, bei Betriebsschließungen oder Kündigungen wird immer wieder das Wort Machtmissbrauch in den Mund genommen.

KNA: Wie kommt es denn zu Machtmissbrauch?
Schick: Eine Gefahrenquelle liegt darin, wenn Personen zu lange an der Macht sind. Ämter sollten öfter und regelmäßig gewechselt werden. Sonst entstehen Seilschaften, oder es wird nach dem Prinzip gehandelt: Eine Hand wäscht die andere. Eine andere Gefahr ist die Fixierung auf Institutionen: «meine Partei», «meine Kirche», «mein Staat» bis hin zu «meine Familie».

KNA: Aber stecken dahinter nicht tiefergehende Probleme?
Schick: Natürlich. Jeder Mensch muss die richtige Balance zwischen Nähe und Distanz finden. Wenn das nicht gelingt, ist Gefahr von Machtmissbrauch in Verzug. Wenn ein Lehrer der Kumpel seiner Schüler sein will, muss die Ampel auf rot gehen. Wenn ein Priester keine Freunde auf Augenhöhe hat und die Ministranten und Jugendlichen seine Freunde nennt, ist das problematisch. Ich bin allergisch gegen Ausdrücke wie «meine Jugend», «meine Pfarrei», «meine Diözese». Sie sind nicht «unser». Wir haben ihnen mit unserem Potenzial zu dienen.

KNA: Wie kann dies gelingen?
Schick: Die Menschen müssen ihre eigene Macht erkennen, als Ehemann, als Vater, im Beruf. Jeder Autofahrer mit einem PS-starken Wagen hat anderen gegenüber Macht. Dies anzuerkennen und nicht zu verschleiern oder zu verneinen ist wichtig. Doch auch serviles Dienen und sich Andienen ist falsch. Auch die Macht der anderen zu erkennen, muss von Kindheit an gelehrt und gelernt werden.

KNA: Welche Rolle spielt die Kontrolle der Macht?
Schick: Dafür braucht es funktionierende demokratische Strukturen und Wahlen. Grundsätzlich muss es eine Kultur des Hinschauens und der Achtsamkeit geben.

Interview: Christian Wölfel