Belgischer Bischof gesteht sexuellen Missbrauch und tritt zurück

"Schwarzer Tag für die Kirche in Belgien"

Der belgische Bischof Roger Vangheluwe ist wegen sexuellen Missbrauchs eines Jugendlichen zurückgetreten. Papst Benedikt XVI. nahm den Amtsverzicht des Bischofs von Brügge an, wie in Rom und Brüssel am Freitag mitgeteilt wurde.

Autor/in:
Christoph Lennert
 (DR)

Als im europäischen Ausland in den vergangenen Wochen und Monaten Fälle von sexuellem Missbrauch durch Priester an die Öffentlichkeit drangen, gab sich die belgische Kirche noch relativ gelassen. Die Altfälle aus den vergangenen Jahrzehnten seien wohl alle schon Ende der 90er Jahre ans Licht gekommen, sagte Hans Geybels, früherer Sprecher des jüngst in den Ruhestand gegangenen Kardinals Godfried Danneels.

Damals, im Gefolge der Aufdeckung des Skandals um den Mörder und Kinderschänder Marc Dutroux, seien auch Verfehlungen und Straftaten in Kirchenkreisen ans Licht gebracht worden. Und jüngere Fälle könne es eigentlich nicht geben, denn seither würden sämtliche Verdachtsfälle unmittelbar der Staatsanwaltschaft gemeldet, so Geybels.

Die Hoffnung trog. Jetzt hat die Welle die belgische Kirche doch erwischt - und zwar gleich auf höchster Ebene. Mit Roger Vangheluwe (73), Bischof von Brügge, trat am Freitag das dienstälteste Mitglied der Belgischen Bischofskonferenz zurück. Vangheluwe gestand sexuellen Missbrauch eines Jugendlichen - und zwar über Jahre hinweg, sowohl als Priester als auch als Bischof. Mehrfach habe er sich seither beim Opfer als auch bei der Familie entschuldigt. Dies habe die Situation indes nicht beruhigt, heißt es in einer Erklärung Vangheluwes. Er war seit 1984 Bischof von Brügge.

Dem Opfer geht es offenbar nach wie vor nicht gut. Der Mann sei auch als Erwachsener noch zutiefst traumatisiert, sagten bei einer Pressekonferenz mehrere Verantwortliche der Kirche. Er sei «über Jahre, in mehreren Entwicklungsphasen seines Lebens», missbraucht worden. Die jüngsten Missbrauchsskandale hätten die Wunden neu aufgerissen. Mitglieder der Familie schrieben deshalb am Dienstag alle belgischen Bischöfe an.

Und die reagierten. Der Druck sorgte für das Rücktrittsgesuch des Bischofs von Brügge, das Papst Benedikt XVI. auch unverzüglich annahm. Erzbischof Andre-Joseph Leonard von Mechelen-Brüssel ließ am Freitag keinen Zweifel, dass die belgischen Bischöfe beim Vatikan ein Amtsenthebungsverfahren für Vangheluwe beantragt hätten, wenn der Bischof seinen Rücktritt nicht angeboten hätte.

Schon früh hatten die belgischen Bischöfe auf völlige Transparenz bei der Aufklärung von Missbrauchsvorwürfen gesetzt. Das gereizte Klima im Land, aufgeheizt nach der Aufdeckung von gravierenden Justizversäumnissen im Fall Dutroux, führte etwa dazu, dass bereits 1998 eine Telefon-Hotline und im Jahr 2000 eine Kommission für Missbrauchsopfer eingerichtet wurden. Die belgischen Bischöfe äußerten sich schon damals «tief betroffen» über Fälle von Kindesmissbrauch durch Priester. Sie erklärten, sie wollten alles tun, um bei der Aufklärung der Straftaten zu helfen.

«Bei Missbrauch gibt es keine Winkelzüge»
Zu dieser Zeit stand auch Belgiens ranghöchster Kirchenmann, der damalige Erzbischof von Mechelen-Brüssel, Kardinal Godfried Danneels, im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen vor Gericht. Ihm wurde zur Last gelegt, seine Aufsichtspflicht gegenüber einem Geistlichen seiner Diözese verletzt zu haben, der wegen dutzendfachen Kindesmissbrauchs zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde. In erster Instanz wurde Danneels zu umgerechnet 12.500 Euro Geldbuße verurteilt. Im Berufungsverfahren sprachen die Richter den Kardinal frei: Zwischen einem Bischof und einem Pfarrer bestehe kein Abhängigkeitsverhältnis, das eine Verurteilung begründen könne.

Danneels' Nachfolger Leonard hatte schon an Ostern ein seit Jahrzehnten dauerndes «schuldhaftes Schweigen» der Kirche zu Missbrauch angeprangert. Jetzt legte er nach. «Bei Missbrauch gibt es keine Winkelzüge», sagte der Erzbischof, der während der Pressekonferenz in Tränen ausbrach. «Wir sind uns der Vertrauenskrise bewusst.» Er hoffe, dass diese Deutlichkeit helfe, dem Opfer seine Würde zurückzugeben und dass sie zu seiner Genesung beitrage. Es solle mit Entschiedenheit ein noch nicht allzu lange zurückliegender Zeitabschnitt beendet werden, «als in der Kirche und anderswo Schweigen und Vertuschung als Lösung» vorgezogen worden seien.