Zentralkomitee der deutschen Katholiken fordert Kirchenreform

Weitreichende Resignation

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, hat Reformen in der katholischen Kirche gefordert. Auf der in München tagenden Frühjahrsvollversammlung beklagte Glück mit Blick auf den Missbrauchs-Skandal eine weitreichende Resignation unter den Katholiken.

ZdK-Präsident Glück (mitte): Weitreichende Resignation (DR)
ZdK-Präsident Glück (mitte): Weitreichende Resignation / ( DR )

Neben einer schonungslosen Aufklärung des Missbrauchsskandals seien "offene, ehrliche und tabufreie Beratungen" darüber notwendig, wie sich die Kirche grundlegend erneuern könne, sagte der 70-Jährige am Freitag in München zum Auftakt der ZdK-Frühjahrsvollversammlung. Reformbedarf sieht Glück etwa bei der Auswahl für geistliche Berufe, bei Aus- und Fortbildung sowie bei den kirchlichen Strukturen.

Glück beklagte mit Blick auf den Skandal eine weitreichende Resignation unter den Katholiken. Dringend notwendig für die Kirche sei es jetzt, Vertrauen zurückzugewinnen. Nach Einschätzung des ZdK-Präsidenten ist derzeit noch offen, ob gegenwärtige Erschütterung zu einer zukunftsweisenden Erneuerung der Kirche oder zu einem dauerhaften Bedeutungsverlust führen werden.

Lob für Papst Benedikt XVI.
Ein falsch verstandener Wunsch nach Schutz der Institution Kirche habe das Ausmaß des Missbrauchs in katholischen Einrichtungen möglich gemacht. Dass mittlerweile der Schutz der Opfer in den Mittelpunkt gerückt sei, sei eine "grundlegende Richtungsänderung", so der ZdK-Präsident, der die Reaktion von Papst Benedikt XVI. auf den jüngsten Missbrauchsskandal lobte.

Glück ermunterte die Kirche, keine Angst davor zu haben, dass durch Transparenz auch ihre Unvollkommenheit und der ständige Reformbedarf zu Tage träten. Abschreckend, weil unglaubwürdig, wirke, wenn hinter der Fassade und dem Anspruch scheinbarer Vollkommenheit Fehler und Skandale sichtbar würden.

Kritik am Kruzifix-Urteil
Glück kritisierte erneut das Kruzifix-Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs. Christen müssten sich dagegen wehren, wenn religiöse Symbole zunehmend aus der Öffentlichkeit gedrängt würden und die negative Religionsfreiheit stärker gewichtet werde als die Freiheit zur Religion. Es werde mitentscheidend für den Zusammenhalt der Gesellschaft sein, wie gleich oder ungleich Religionen behandelt würden und wie sich Religionen in der Öffentlichkeit darstellen könnten.

Mit Blick auf die gesellschaftliche Entwicklung in Europa beklagte Glück eine große Angst vor Veränderungen. "Unsere heutige Art zu leben ist nicht zukunftsfähig", sagte der CSU-Politiker. Viele Menschen spürten das zwar, verdrängten diese Einsicht aber. Notwendig seien deshalb eine intensive öffentliche Debatte und ein neuer Aufbruch zu einer "zukunftsfähigen Kultur". Die Christen könnten aus der "Schatztruhe der christlichen Soziallehre" und auf dem Fundament des christlichen Menschenbildes viel zu einer humanen Zukunft beitragen.

Rufe nach Reformen in der Kirche immer lauter
Der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst sieht die katholische Kirche im gegenwärtigen Missbrauchsskandal in der größten Glaubwürdigkeitskrise seit vielen Jahrzehnten. Die Kirche müsse auch in der Liturgie Zeichen finden, um bei den Opfern um Entschuldigung zu bitten und Vertrauen zurückzugewinnen, sagte der Bischof bei der Frühjahrsvollversammlung.

Fürst beklagte zugleich, dass die bisherigen Bemühungen der Kirche in der Gesellschaft nicht genügend wahrgenommen würden. In seinem Bistum habe sich die Zahl der Kirchenaustritte im Februar im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht. Er habe die mehr als 2.000 Ausgetretenen zu Gesprächen eingeladen.

Thierse: Selbsterforschung und Selbstkritik
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse verlangte, dass die Kirche jetzt Selbsterforschung und Selbstkritik zulassen müsse. "Wir sollten uns auch erlauben, unseren Zorn auf den Vatikan zu äußern", sagte der SPD-Politiker, der zugleich die Haltung des Papstes lobte. Zahlreiche Äußerungen der vergangenen Monate aus der Kurie seien auch für Katholiken tief beschämend.

Thierse äußerte die Vermutung, dass "wir gegenwärtig den Untergang der Klerikerkirche" erleben. Während die Kirche Empfängnisverhütung verurteile und Sexualität verdränge, habe sie gleichzeitig geweihte Täter aus den eigenen Reihen gedeckt. Dieses ideologische Gebäude gerate jetzt ins Wanken.

Pater Klaus Mertes: Kirche nicht Opfer
Der Rektor des Berliner Canisius-Kollegs, Pater Klaus Mertes, kritisierte Stimmen von Kirchenrepräsentanten, die die Kirche jetzt selber als Opfer des Skandals darstellten. Eine solche Haltung verletze die Opfer ein weiteres Mal. Mertes, der den Skandal Mitte Januar an seiner Schule öffentlich gemacht hatte, forderte von der Kirche, ihre Haltung zu geistlicher Macht zu hinterfragen. Sie müsse auch eine Sprachfähigkeit in Sachen Sexualität gewinnen.

Die CSU-Politikerin Maria Eichhorn forderte eine Überprüfung kirchlicher Strukturen. Der Zölibat, die Haltung zu Sexualität und die Stellung der Frau in der Kirche müssten auf den Prüfstand gestellt werden. Dann könne die Krise zu einer Chance für die Kirche werden. "Die Kirche ist zuviel Institution und zu wenig Jesus Christus", sagte sie.