"Die Zeit" startet eine Seite über Religionen

Glauben und Zweifeln

Der Fall Käßmann, die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche, das Schlagwort von "Frauen als Gebärmaschinen" oder der Umgang mit den Piusbrüdern: Wenn Religion in den Medien zum Thema wird, sind es meist die Skandale oder polarisierende Äußerungen hoher Kirchenrepräsentanten, die in die Schlagzeilen gelangen. Doch das muss nicht so bleiben.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Doch Artikel über Gott, Bibel, Sünde? «Sogar den meisten Christen fällt es leichter, über Sex zu reden als über das Beten», hat Patrik Schwarz, stellvertretender Ressortleiter Politik der Hamburger Wochenzeitung «Die Zeit» beobachtet. Das gilt erst recht für viele Medien. Und es gelingt auch katholischen und evangelischen Medien nur begrenzt, wie eine am Wochenende zu Ende gegangene Tagung der «Gesellschaft katholischer Publizisten Deutschlands» (GKP) in Paderborn zeigte.

Kleine Revolution
Da mutet es fast wie eine kleine Revolution an, dass die «Zeit», als liberale Wochenzeitung eigentlich eher im religions- und kirchenkritischen Lager einzusortieren, ab Ostern eine wöchentliche Seite mit dem Titel «Glauben und Zweifel» startet. Nach Einschätzung von Schwarz reagiert das Blatt damit auf langfristige Veränderungen in der Gesellschaft - und auch in der Redaktion: Gerade bei neu hinzukommenden Mitgliedern der Redaktion gebe es eine wachsende Bereitschaft, sich mit Religion und Glauben zusetzen, analysiert der aus einem evangelischen Pfarrhaus stammende Schwarz.

Die Folge: Schon in den Ausgaben der vergangenen Monate fanden sich an prominenter Stelle im Blatt recht subjektiv gefärbte Artikel über das Beten und über den Auferstehungsglauben. Beiträge, die bei manch liberal eingestelltem Leser und auch in der Redaktion für Stirnrunzeln sorgten. Selbstverständlich für eine kritische Wochenzeitung: Der Zweifel und das Skandalöse des Auferstehungsglaubens werden mitformuliert. Religion, Kirche und Werte werden auf den Prüfstand gestellt.

Wachsender Bedarf nach Austausch
Auch kirchliche Medien registrieren, dass es wachsenden Bedarf nach Austausch über religiöse Fragen gibt. Allerdings nicht in einer von vielen Kirchenverantwortlichen verwendeten formelhaften und nach allen Seiten abgesicherten Sprache, wie Christian Schlichter, früherer Chefredakteur der Paderborner Kirchenzeitung «Der Dom», betonte. «Über Gott zu schreiben heißt, Geschichten über Menschen zu erzählen, die sich für andere engagieren und ihren Glauben leben», ist er überzeugt.

Beim Verkündigungssender «Radio Horeb», beim Internetportal «evangelisch.de» der Evangelischen Kirche in Deutschland und auch bei domradio.de registrieren die Verantwortlichen gleichfalls einen großen Bedarf nach Seelsorge, Lebenshilfe und Austausch über religiöse Fragen. In der Community von «evangelisch.de» werde derzeit viel über das Fasten diskutiert, berichtet Portalleiterin Melanie Huber. Peter Kiesl von «Radio Horeb» vermutet, dass mancher Hörer die Gemeinschaft, die er in der Pfarrgemeinde vor Ort vergeblich suche, bei seinem Sender finde. Und Ingo Brüggenjürgen, Chefredakteur von domradio.de, wertet die seit Jahresbeginn aufgebauten Schnittstellen zu sozialen Netzwerken wie Facebook als durchweg positiv: "Schon früher haben die Apostel mit ihrer Netzerfahrung als Menschenfischer gute Ergebnisse erzielt. Daran wollen wir in der Welt der modernen interaktiven Netzwerke gerne anknüpfen!"

Abstrakte Theologie hilft nicht konkret weiter
Auch Brigitte Haertel sucht nach Wegen aus der religiösen Sprachlosigkeit. Auf eigene Faust und ohne große kirchliche Unterstützung hat die Düsseldorferin vor drei Jahren das schicke Magazin «theo» aus der Taufe gehoben und mittlerweile eine Auflage von 25.000 erreicht. Die Journalistin, die nach eigenem Bekunden vor wenigen Jahren wieder zu ihren «katholischen Wurzeln» zurückgefunden hat, war entsetzt, was sie an den Schriftenständen der katholischen Kirche vorfand. Sie kritisiert eine schlechte Ästhetik und formelhafte Sprache. «theo» denke nicht von den Bedürfnissen der Kirchenleitungen, sondern von den Fragen der Kunden her, beschreibt sie ihr Erfolgsrezept. Abstrakte Theologie helfe Menschen, die auf der Suche nach Spiritualität und Glauben seien, nicht weiter.