Irlands Kirche kämpft mit Missbrauchsskandalen

Dunkle Wolken über der Insel

Die katholische Kirche in Irland sieht schweren Zeiten entgegen. Die Veröffentlichung eines Berichts über Missbrauchsfälle in kirchlichen Institutionen hat nicht nur bei den Opfern neue Wut ausgelöst, sondern auch in Bevölkerung und Politik. Außer moralischen Vorwürfen und Schuldzuweisungen häufen sich derzeit vor allem Forderungen nach einer finanziellen Wiedergutmachung.

Autor/in:
Gaby Mahlberg
 (DR)

Die eigentliche Frage, die wie eine dunkle Wolke über der grünen Insel hängt, ist aber eine ganz andere: Was bedeutet der Missbrauchsskandal für ein Land, das mehr als die meisten anderen in Europa von seiner katholischen Identität geprägt ist?

Der am Mittwoch in Dublin vorgestellte Bericht einer unabhängigen Untersuchungskommission war schockierend. Über Jahre hinweg wurden wohl mehr als 2.000 Kinder in kirchlichen Erziehungsheimen, Schulen und anderen Betreuungseinrichtungen misshandelt, geschlagen und sexuell missbraucht. Seitdem stehen die Telefone bei den psychologischen Beratungsdiensten für Opfer sexueller Gewalt nicht mehr still.

Die Täter waren Priester, Mönche, Nonnen und Laien
Die Missbrauchsenthüllungen seien das Symbol des schmerzhaften Erwachens einer Gesellschaft, in der sich "fast übertriebener Respekt und Ehrerbietung gegenüber dem Klerus" als "perfekte Brutstätte" für Kinderschänder und Verbrecher erwiesen habe, schrieb der irische Schriftsteller Joseph O'Connor vergangene Woche in der italienischen Zeitung "La Repubblica". Die Täter waren Priester, Mönche, Nonnen und katholische Laien. Und eine ganze Gesellschaft hat lange geschwiegen. Erst jetzt zwingt ein unabhängiger Bericht viele Menschen, sich mit Dingen zu befassen, die sie lieber vergessen würden oder seit Jahren verdrängt haben.

Eng ist aber nicht nur die Verbindung der Kirche mit der Bevölkerung, sondern auch mit dem irischen Staat. Viele Kritiker werfen ihm vor, die Kirche geschützt zu haben - vor allem mit Blick auf Schadensersatzforderungen. In einem Abkommen aus dem Jahr 2002 vereinbarte der damalige Bildungs- und Erziehungsminister Michael Woods eine Höchstgrenze von 127 Millionen Euro für Zahlungen an die Missbrauchsopfer, um die Kirche vor dem finanziellen Ruin zu bewahren.

Diesen Handel fechten jetzt viele an, obwohl der derzeitige Bildungsminister Batt O'Keeffe eine Revision ausgeschlossen hat. Der rechtspolitische Sprecher der Labour-Partei Pat Rabbitte etwa verurteilte die Abmachung als "unorthodox" und forderte eine unabhängige Untersuchung des vermeintlich unlauteren "Freundschaftsdienstes". Auch der Grünen-Umweltminister John Gormley warnte die Kirche davor, sich ihrer "moralischen Verantwortung" zu entziehen.

Wut über anonyme Täter
Zahlreiche Opfer beklagen außerdem, dass der Missbrauchsbericht nicht zu neuen strafrechtlichen Verfolgungen führen werde, weil die Täter anonym blieben. Der irische Orden Christian Brothers hatte 2004 ein Gerichtsurteil erwirkt demzufolge in dem Bericht keine Namen - weder von Tätern noch Opfern - genannt werden durften. "Ich hätte niemals meine Wunden offenbart, wenn ich geahnt hätte, dass dies das Endergebnis sein würde," zitierte der Sender BBC den Zeugen John Walsh von der Gruppe "Irische Überlebende von Kindesmissbrauch".

Fraglich ist auch, was in Zukunft aus den zahlreichen katholischen
Bildungs- und Erziehungseinrichtungen wird. Erst vergangene Woche beschäftigte sich eine Konferenz zur katholischen Erziehung in Irland an der Universität Limerick mit neuen Herausforderungen für konfessionelle Schulen in einer Zeit, in der viele Eltern keine katholische Erziehung mehr für ihre Kinder wünschen.

Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz in Irland, Sean Brady, betonte unterdessen, die Kirche und ihre Institutionen müssten wieder ein "sicherer Ort" für Kinder werden und das Vertrauen der Menschen in Irland zurückgewinnen. Die Frage, ob das gelingen wird, dürfte die katholische Kirche auf der Insel noch länger begleiten.