Der pädophile Priester ist verurteilt - Das Bistum Regensburg wird von Vielen auch für schuldig befunden

Kirche als "Nebenangeklagte"

Manchmal an diesem Tag scheint es, als säße nicht nur der Geistliche Peter K. auf der Anklagebank. Akribisch verfolgt die stattliche Zuschauermenge im Landgericht Regensburg am Donnerstag den Missbrauchs-Prozess um den ehemaligen Pfarrer im bayerischen Riekofen auf jedes Anzeichen, das dem Bistum in dem Skandal um den pädophilen Geistlichen einen Fehler nachweist - und wird prompt fündig: Der Priester soll noch während einer Bewährungsstrafe für einen ersten Kindesmissbrauch entgegen den Auflagen in einer Gemeinde die komplette Seelsorge übernommen und dort vor allem die Ministrantenarbeit gefördert haben.

 (DR)

Für das Gericht ist der aktuelle Fall klar. Der frühere Pfarrer Peter K. hat vor Gericht ein umfassendes Geständnis abgelegt: Er hat in Riekofen einen Messdiener über Jahre sexuell missbraucht. Jetzt muss er drei Jahre ins Gefängnis. Außerdem kommt er in Sicherungsverwahrung.  

Eine Mahnwache vor dem Gerichtsgebäude und das Blitzlichtgewitter, als der Angeklagte den Saal betritt, zeigen, wie hoch die Wellen im Fall des pädophilen Ex-Pfarrers schlagen. Seinen eintägigen Prozess verfolgte der 40-Jährige nahezu reglos. Starr geht sein Blick durch die Brille zu Boden und bleibt dort fast den ganzen Tag über haften. Mehrmals entschuldigt er sich bei seinem Opfer und dessen Eltern. Mit einem vollen Geständnis erspart er dem Jungen eine Aussage vor Gericht. Er räumt ein, dass er sich von etwa Ende 2003 an bis zum vergangenen Jahr an dem Kind vergriff, das anfangs erst zehn Jahre alt war.

Aus Sicht des persönlichkeitsgestörten Pfarrers geschah alles aus Liebe. Der psychiatrische Gutachter Bernd Ottermann stellt die tiefe Überzeugung des Angeklagten dar. Dieser habe sich in den Buben verliebt und nie das Gefühl gehabt, dem Kind zu schaden oder es zu Ungewolltem zu zwingen.

Ottermann, der Peter K. seit November im Straubinger Bezirkskrankenhaus behandelt, zeichnet den Angeklagten als tief gehemmten und verunsicherten Menschen. Er sei voller Scham und sexuell unterentwickelt. Er suche die Nähe zu Kindern, «fädelt» sich in deren Gruppen ein. Dabei verleugne er vor sich und aller Welt sein eigentliches Ziel: Sex mit kleinen Jungs. Der Angeklagte sei sehr gefährlich für die Allgemeinheit, leide an einer «homosexuellen Kernpädophilie». Es habe lange gedauert, bis der Angeklagte vor sich selbst habe zugeben können, dass er sexuell von Kindern angezogen wird, berichtet Ottermann.  

Dabei wurde seine Neigung bereits vor neun Jahren schon einmal öffentlich. Damals missbrauchte Peter K. als Kaplan im niederbayerischen Viechtach zwei Buben. Er kam mit einem Jahr Haft auf Bewährung davon. Während seiner Bewährungszeit, in der ihm ein Einsatz in der Kinderseelsorge gerichtlich verboten war, war er in einem Altenheim tätig - zumindest offiziell, wie sich am Donnerstag herausstellt.

Ein Raunen geht durch den Gerichtssaal als herauskommt, dass Peter K. seit 2001, also zwei Jahre vor Ende seiner Bewährungszeit, nicht nur nebenbei hin und wieder einen Gottesdienst in Riekofen abhielt. Eine Zeugin der Polizei sagt aus, der Pfarrer habe damals «bereits die komplette Seelsorge übernommen» und sich besonders der Ministrantenarbeit gewidmet. Inklusive Messdienerausflüge - oft mehrtägig und teils in Schwimmbäder.  

Ab 2004 erfolgte dann der offizielle Einsatz in Riekofen - mit Segen des Regensburger Bischofs Gerhard Ludwig Müller. Peter K. kümmerte sich viel um die Jungs. Er ging Gokart-Fahren und ins Kino. Seit im vergangenen Jahr aufkam, dass er das dabei aufgebaute Vertrauen für seine sexuellen Triebe nutzte, steht Bischof Müller im Kreuzfeuer der Kritik. Er will sich nicht dafür entschuldigen, den vorbestraften Pfarrer in einer Gemeinde eingesetzt zu haben, wo er viel mit Kindern zu tun hatte. Stets berief sich die Diözese darauf, ein Gutachten habe ausgeschlossen, dass der Mann ein Pädophiler sei. Der langjährige Psychotherapeut des Priesters, der ihn allerdings über eine lange Zeit hinweg nur zwei Stunden im Monat betreute, hielt in einem Gutachten von 2003 einen Rückfall für «sehr unwahrscheinlich». Ein Fehlurteil, wie die Realität zeigt.  

Der Angeklagte bittet beim Prozess Eltern und Opfer um Verzeihung, ebenso wie seinen Bischof, der «da für nix was kann». Die Anwältin der Nebenklage, die den Jungen vertritt, sieht das anders. Für ihren Mandanten sei es «schwer zu verarbeiten», dass «keinerlei Reaktion von der kirchlichen Seite erfolgt» sei. Keinerlei Hilfsangebote, zählt sie auf, und keine Entschuldigung des Bischofs. Allerdings hatte
Müller mehrfach von von einer "Tragödie" für die Opfer gesprochen und die Taten als "schreienden Widerspruch zum Priesteramt" bezeichnet.