Studie zu Missbrauch in Mecklenburg vorgestellt

Kirche reagierte zu langsam

In der katholischen Kirche Mecklenburgs sind Kirchenverantwortliche ersten Untersuchungen zufolge zu nachlässig mit Missbrauchsfällen umgegangen. Zu DDR-Zeiten etwa sei ein Täter 17 Jahre lang immer wieder ermahnt worden.

Kreuz hinter Gitterstäben / © Jeremiah Castelo (shutterstock)
Kreuz hinter Gitterstäben / © Jeremiah Castelo ( shutterstock )

"Die vorliegenden Akten zeigen, dass die Katholische Kirche zwar in manchen Fällen gehandelt hat, insgesamt aber nicht konsequent genug und oft zu langsam", heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten vorläufigen Tätigkeitsbericht von Forschenden der Universität Ulm.

17 Jahre lang nur ermahnt worden

Zu DDR-Zeiten etwa sei ein Täter 17 Jahre lang immer wieder ermahnt worden, bis er zwangsweise in Rente gegangen und in die Bundesrepublik ausgereist sei. Als Grund sei der Gesundheitszustand des Mannes angegeben worden. Das Thema Missbrauch sollte "nach außen hin keine Erwähnung finden".

Die Forschenden interviewten laut dem Bericht neun Betroffene, denen sie drei bereits verstorbene Täter zuordnen. Den Befragten zufolge seien dem damaligen Bischof von Schwerin die Taten teilweise bekannt gewesen. Es habe aber kein Einschreiten gegeben. "Aus Sicht der Betroffenen haben die Reputation der Kirche und der Täterschutz im Vordergrund gestanden", so die Wissenschaftler. Sie interviewten auch zehn Vertretende der Kirche, von denen fünf emeritiert sind. Die Gespräche würden derzeit ausgewertet.

Seit 2019 untersucht der Ulmer Lehrstuhl für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie im Auftrag des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße sexuellen Missbrauch durch Priester und Kirchenmitarbeitende in Mecklenburg. Das Team wertete für den Untersuchungszeitraum 1946 bis 1989 bislang 1.017 Akten aus und stieß dabei auf 16 Täter.

Aktenführung "sehr mangel- und lückenhaft"

Die Aktenführung sei "sehr mangel- und lückenhaft", erklären die Forschenden. Es gebe aber keine Anhaltspunkte für Manipulation oder Vertuschung. Weitere Akten sollen untersucht werden. Das Erzbistum leitete laut Heße bereits Schritte für eine bessere Aktenführung ein.

Das Projekt, das Ende Februar 2023 abgeschlossen sein soll, wird durch einen von Heße eingerichteten Beirat begleitet. Die Wissenschaftler kritisieren in ihrem Bericht, dass neun der zwölf Beiratsmitglieder der Kirche nahe stünden. Eine Unabhängigkeit sei so nicht gegeben. Das Erzbistum reagierte eigenen Angaben zufolge bereits auf den Einwand. Inzwischen gehörten nur noch die drei unabhängigen Personen dem Beirat an.

Schon die 2018 veröffentlichte Missbrauchsstudie der Deutschen Bischofskonferenz hatte sich mit dem mecklenburgischen Teil des Erzbistums Hamburg befasst und von besonders vielen Fällen dort gesprochen. Den Autoren dieser Untersuchung sind 17 Täter bekannt, einer mehr als in der neuen Studie. Sie sollen 54 Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht haben. Einer der Hauptverdächtigen ist der 1979 verstorbene Priester Hermann-Josef Timmerbeil, der die Pfarrei Neubrandenburg zwischen 1946 und 1975 leitete.


Quelle:
KNA