Betroffene fordern Missbrauchsstudie nach Vorbild Frankreichs

"Echte Aufarbeitung"

Nach der Vorstellung einer Studie zu sexualisierter Gewalt und Missbrauch durch Priester, Ordensleute und Kirchenmitarbeiter in Frankreich fordert die "Betroffeneninitiative Süddeutschland" eine ähnliche Studie auch für Deutschland.

Plakat mit der Aufschrift Fragt die Betroffenen (Archiv) / © Julia Steinbrecht (KNA)
Plakat mit der Aufschrift Fragt die Betroffenen (Archiv) / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Hier stehe eine "echte Aufarbeitung" und "ungeschönte Bilanz" noch immer aus, kritisierte die Selbsthilfeorganisation am Donnerstag in Freiburg.

Französische Studie

Nach Meinung der Initiative hat die französische Studie deutlich gemacht, dass Kinder und Jugendliche bis heute im kirchlichen Raum von Übergriffen bedroht seien. Die Gruppe mit Initiatoren aus bayerischen und baden-württembergischen Bistümern forderte, der Staat müsse von den Kirchen "Rechenschaft verlangen" und das Gewähren von "Privilegien" überdenken.

Laut der am Dienstag in Paris veröffentlichten Studie gab es in der katholischen Kirche in Frankreich seit 1950 geschätzt 216.000 minderjährige Opfer sexueller Übergriffe durch Priester und Ordensleute. Man habe zwischen 2.900 und 3.200 potenzielle Täter ermittelt. Nimmt man Laien und Kirchenmitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen, Schulen, Pfarreien und Katechese hinzu, kommt die Kommission auf geschätzt 330.000 Opfer. Die französischen Bischöfe hatten die Untersuchung im November 2018 in Auftrag gegeben.

Unterschiede zur MHG-Studie aus Deutschland

Der Kommissionsvorsitzende, der frühere Richter und Vizepräsident des Französischen Staatsrates Jean-Marc Sauve, erklärte, bei der Schätzung der Opferzahlen handele es sich nicht um durch Quellen verbürgte Vorgänge, sondern lediglich um Hochrechnungen auf "sexualwissenschaftlicher Basis".

In Deutschland handelte es sich dagegen bei der bislang größten Untersuchung, der MHG-Studie, von 2018 um eine sogenannte Hellfeldstudie, bei der nur tatsächlich belegte Verdachtsfälle registriert und nicht die mutmaßliche Dunkelziffer zugrunde gelegt wurde wie nun in Frankreich. Dabei fanden sich in der MHG-Studie in kirchlichen Personalakten zwischen 1946 und 2014 mindestens 1.670 Beschuldigte, darunter mehrheitlich Priester, sowie 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe.

Der Ulmer Kinderpsychiater Jörg Fegert 2019 hatte die Zahlen der MHG-Studie mit Umfrageergebnissen zum Dunkelfeld ergänzt und auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet; damit kam er ebenfalls auf eine womöglich sechsstellige Zahl von kirchlichen Missbrauchsopfern. Die Deutsche Bischofskonferenz erklärte damals, es sei eine "schwierige Datenbasis", wenn aufgrund sehr geringer Fallzahlen Hochrechnungen angestellt würden.


Quelle:
KNA
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