Reaktionen auf angekündigte Visitation im Erzbistum

"Ein positiver Schritt"

Vertreter katholischer Laien und Geistliche im Erzbistum Köln begrüßen die angekündigte Untersuchung durch den Vatikan. Auch über die Grenzen des Erzbistums hinaus stößt die kommende Visitation auf überwiegend positive Resonanz.

Blick auf den Kölner Dom / © Adelaide Di Nunzio (KNA)
Blick auf den Kölner Dom / © Adelaide Di Nunzio ( KNA )

"Die Anordnung der Visitation unterstreicht, dass auch in Rom verstanden wird, dass im Erzbistum Köln unter der Leitung von Kardinal Woelki der Kontakt zwischen Gemeinden und Bistumsleitung schwer geworden ist", erklärte der Vorsitzende des Diözesanrates der Katholiken, Tim-O. Kurzbach am Freitag in Köln.

Die Gespräche der beiden Papst-Gesandten sollten auch mit Vertretern von Mitarbeitenden und Laien geführt werden: "Deswegen laden wir schon jetzt die Visitatoren in unsere Vollversammlung am 16. Juni ein." Auch die Reforminitiative Maria 2.0 im Rheinland, die bereits im Januar eine Visitationsreise eines Vatikanvertreters angeregt hatte, äußerte sich positiv über den Schritt.

Stadt- und Kreisdechanten sehen Schritt als Chance

Die 14 führenden Geistlichen im Erzbistum Köln, die sich in einer E-Mail kritisch über die Missbrauchsaufarbeitung geäußert haben, begrüßen ebenfalls die anstehende Apostolische Visitation in ihrer Erzdiözese. Gemeinsam mit Kardinal Rainer Maria Woelki sehen die Stadt- und Kreisdechanten den Schritt als eine Chance, sagte der Sprecher der Gruppe, der Wuppertaler Stadtdechant Bruno Kurth, am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Zwölf der Geistlichen trafen Woelki am Freitagmittag zu einem rund zweieinhalbstündigen Gespräch. Stadt- und Kreisdechanten sind die obersten katholischen Repräsentanten auf Stadt- und Kreisebene.

Kurth nannte es eine Chance, dass mit einem unbefangenen Blick von außen auf die Situation des Erzbistums geschaut werde. Er kündigte an, die Dechanten würden Woelki wie bislang beratend zur Seite stehen: "Aber zur Seite stehen bedeutet ja Loyalität und auch Kritik und das offene, ehrliche Wort."

Auch der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken äußerte sich nach der Unterredung mit dem Kölner Erzbischof positiv. Das Gespräch mit dem Erzbischof habe in einer offenen Atmosphäre stattgefunden. Die zwölf versammelten Stadt- und Kreisdechant hatten die Gelegenheit, ihre Sorgen um das Erzbistum Köln vorzutragen, die sie zuvor dem Kardinal in einer schriftlichen Erklärung übermittelt hatten, so Picken in einem Statement.

"Im Verlauf des Gesprächs unterrichtete der Erzbischof die Anwesenden persönlich über die Anordnung der päpstlichen Visitation, die wenige Minute später in Rom bekannt gegeben wurde. Die Initiative von Papst Franziskus wurde einhellig begrüßt und die Visitation von allen Beteiligten als Chance gesehen."

Sie biete die Gelegenheit, die bestehenden Probleme hinsichtlich der Missbrauchsaufklärung und der pastoralen Lage im Erzbistum Köln gegenüber den benannten Visitatoren anzusprechen und durch die Unterstützung von außen in eine scheinbar festgefahrene Situation Bewegung zu bringen, ergänzte der Bonner Stadtdechant. Die Stadt- und Kreisdechanten verständigten sich mit dem Kardinal darauf, das Gespräch zeitnah weiterzuführen.

Bonns Stadtdechant hofft, dass die Visitation dazu beitragen wird, dass Glaubwürdigkeit zurückgewonnen werden kann und die offenkundigen Risse in der Kirche von Köln geschlossen werden können. Das bedürfe nicht nur der Bereitschaft der Bistumsleitung, Verantwortung zu übernehmen, sondern auch der Offenheit aller im Erzbistum, die Zukunft konstruktiv und im Miteinander zu gestalten.

Dabei müsse tabulos über Gründe und Lösungsansätze für die vorliegende Krise gesprochen werden. Allerdings müsse klar sein, dass eine Visitation nur ein erster Schritt sein könne, dem ein langer Prozess der Aufarbeitung und Konsolidierung folgen werde.

Stadtdechant Kleine: "im Miteinander weiterkommen"

Kölns Stadtdechant Msgr. Robert Kleine sagt in einem Statement über die Untersuchung: "Die Visitation eröffnet die Möglichkeit, dass mit einem klaren und unbefangenen Blick von außen auf die Missbrauchsaufarbeitung und auf die pastorale Situation im Bistum geschaut wird.“  Im Gespräch mit Woelki habe er, wie auch die anderen Stadt- und Kreisdechanten, in offenen Worten "über meine Wahrnehmung der augenblicklichen Situation im Stadtdekanat und in der Öffentlichkeit gesprochen", so Kleine. Ihn erreichen immer wieder Anfragen und Zuschriften, in denen Gläubige, aber auch viele Haupt- und Ehrenamtliche ihre Sorgen, ihre Kritik und ihr Leiden an der aktuellen Lage ausdrücken.

Zu den Kernaufgaben der Stadt- und Kreisdechanten gehört es, zwischen den Gemeinden und dem Erzbischof für einen Interessenausgleich zu sorgen. "Es ist wichtig, dass wir jetzt im Miteinander weiterkommen", betont der Kölner Stadtdechant, "damit uns die Menschen hoffentlich irgendwann wieder ihr Vertrauen schenken."

"Die Situation hat sich derart zugespitzt, dass es innerhalb dieses Systems alternativlos ist", sagte Sprecherin von Maria 2.0, Maria Mesrian, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "Es bleibt zu hoffen, dass die Visitatoren einen offenen Blick haben und alle Stimmen in diesem Bistum hören." 

Rörig: Visitatoren müssen auch Gespräche mit Betroffenen führen

Auch der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hat die vom Vatikan angekündigte Apostolische Visitation der Erzdiözese Köln begrüßt. Der Schritt komme für ihn wenig überraschend, schließlich gehe es um eine Verantwortungsübernahme für Pflichtverletzungen hochrangiger Geistlicher, die auch gutachterlich festgestellt worden seien, sagte Rörig am Freitag auf Anfrage in Berlin.

Gespräche müssten auch mit Betroffenen und deren Umfeld geführt werden. Nur so könne die Visitation zu einem weiteren wichtigen Schritt zu mehr Transparenz, aber auch zu mehr Befriedung zwischen der Kirche und Betroffenen werden, so Rörig.

Für die anderen Bistümer könne sie ein wichtiger Impuls sein, die Aufarbeitung mit Blick auf die im vergangenen Jahr vereinbarte Gemeinsame Erklärung weiter voranzubringen. Die Gemeinsame Erklärung sieht die strukturelle Aufarbeitung von Missbrauch in den Bistümern vor.

Der Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, sprach von einer "guten Entwicklung". Er ermutigte die Betroffenen, nun ihre Sichtweise vorzubringen, damit der Vatikan ein "vollständigeres Bild" bekomme.

"Wir sind Kirche" begrüßt Visitation im Erzbistum Köln

Die Initiative "Wir sind Kirche" hat die vom Vatikan angekündigte Apostolische Visitation der Erzdiözese Köln ebenfalls begrüßt.

Diese werde nicht nur das juristisch relevante Handeln des Erzbischofs und seiner Weihbischöfe in den Blick nehmen müssen, sondern auch die moralische Verantwortung sowie die gesamte pastorale und kommunikative Situation in der Erzdiözese, heißt es in einer am Freitag in München veröffentlichten Erklärung der Gruppierung.

Für die Glaubenden im Erzbistum Köln und auch in Deutschland sei zu hoffen, dass möglichst bald ein "personeller und spiritueller Neuanfang" gelinge, heißt es weiter. Dann aber mit einer Kirchenleitung, die einen "wertschätzenden und glaubwürdigen Umgang sowohl mit den kirchlich Beschäftigten als auch mit allen Glaubenden praktiziert".

Ungewöhnlicher Schritt

In einem ungewöhnlichen Schritt hatte Papst Franziskus eine Apostolische Visitation, also eine offizielle Überprüfung, für das Erzbistum Köln angeordnet. Wie die Nuntiatur in Berlin mitteilte, wurden Kardinal Anders Arborelius aus Schweden und den Rotterdamer Bischof Johannes van den Hende zu Visitatoren ernannt.

Sie sollen sich in der ersten Junihälfte "vor Ort ein umfassendes Bild von der komplexen pastoralen Situation im Erzbistum Köln verschaffen". Außerdem sollen sie untersuchen, ob der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, der Hamburger Erzbischof Stefan Heße und die Kölner Weihbischöfe Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff Fehler gemacht haben beim Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs.

Woelki begrüßt Visitation

Woelki begrüßte die Visitation und sagte Unterstützung zu. Seit mehr als einem Jahr wird im Erzbistum Köln um die öffentliche Aufarbeitung früherer Missbrauchsfälle durch Geistliche gerungen. Dabei geht es auch um die Frage, inwiefern hohe Amtsträger Missbrauchstäter geschützt und Fälle vertuscht haben.

Auch Woelki werden Vorwürfe gemacht, obwohl ihn ein Aufarbeitungsgutachten juristisch entlastet. Wegen der Debatte setzt der Diözesanrat der Katholiken seine Zusammenarbeit mit dem Kardinal seit Ende Januar aus.

 

Quelle:
KNA