Katholische Orden einigen sich mit Missbrauchsbeauftragtem

Gemeinsame Erklärung über Standards bei der Aufarbeitung

Tatort Kloster: In Ordensschulen, -heimen und -internaten haben sich etliche Angehörige katholischer Ordensgemeinschaften an jungen Menschen vergangen. Die Aufarbeitung kommt nun einen deutlichen Schritt voran.

Autor/in:
Andreas Otto
Symbolbild Missbrauch / © somkhana (shutterstock)

Ziel ist ein verbindliches Vorgehen bei der Aufklärung von sexueller Gewalt: Die katholischen Orden Deutschlands haben sich mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, auf Standards geeinigt, wie die Fälle in den Einrichtungen der Gemeinschaften aufzuarbeiten sind. Rörig und die Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK), Katharina Kluitmann, unterzeichneten am Montag in Berlin eine Gemeinsame Erklärung.

Diese orientiert sich an dem Dokument, das Rörig vor einem Jahr mit der katholischen Deutschen Bischofskonferenz unterzeichnet hatte, nimmt aber die speziellen Strukturen und Rahmenbedingungen der Ordensgemeinschaften in den Blick. Denn gerade Klöster und ihre typischen Einrichtungen wie Heime, Schulen oder Internate haben sich als einschlägige Tatorte entpuppt.

Viele Fälle sexualisierter Gewalt

So wurde der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche in Deutschland öffentlich, nachdem 2010 die Fälle am Berliner Canisius-Kolleg der Jesuiten bekannt wurden. Auch andere Häuser wie das Klosterinternat der Benediktiner im oberbayerischen Ettal, das längst geschlossene Jungeninternat "Collegium Josephinum" im nordrhein-westfälischen Bad Münstereifel oder das Bonner Aloisiuskolleg verzeichnen ein großes Ausmaß an sexualisierter Gewalt in ihrer Geschichte.

Ein weiterer Missbrauchskomplex, der erst in jüngerer Vergangenheit Schlagzeilen machte, verbindet sich mit dem Orden der Niederbronner Schwestern. Hier steht der Vorwurf eines Betroffenen im Raum, in Speyer hätten Ordensfrauen Priestern und Politikern Heimkinder gegen Geld zum Missbrauch überlassen.

Aufarbeitung und Prävention - aber nicht überall

Die Ordensobernkonferenz, also die Dachorganisation der Gemeinschaften mit Sitz in Bonn, bemüht sich um größtmögliche Aufklärung - stößt dabei aber auch an Grenzen. Im vergangenen Jahr legte sie eine in Eigenregie durchgeführte Umfrage vor, wonach sich gegen mindestens 654 Mitglieder aus deutschen Orden Missbrauchsvorwürfe richteten. Wenigstens 1.412 Kinder, Jugendliche oder Schutzbefohlene seien von diesen sexuellen Übergriffen betroffen. Zudem sprechen die Verantwortlichen von einer nicht näher bestimmbaren Dunkelziffer.

Etwa drei Viertel der angeschriebenen Gemeinschaften - 291 von 392 - antworteten. 100 Orden gaben an, in der Vergangenheit mit Vorwürfen zu verschiedenen Missbrauchsformen konfrontiert worden zu sein. Während einige wenige - wohl große - Gemeinschaften von mehr als 100 Meldungen berichteten, waren es bei den meisten anderen unter zehn. Aber auch das brachte die Untersuchung zutage: 78 Gemeinschaften gaben an, sich noch nie gemeinsam mit dem Thema Aufarbeitung und Prävention befasst zu haben.

Gesamtstudie "der Orden" kaum  möglich

Ein weiteres Problem bei der Missbrauchsaufarbeitung in den Orden ist die große Zahl und die sehr unterschiedliche Ausrichtung der rund 400 Gemeinschaften in Deutschland. Eine Gesamtstudie "der Orden" sei wissenschaftlich kaum möglich, sagte Kluitmann bei der Vorstellung der Studie.

Da stünden kleine und nur auf das Gebet konzentrierte Kommunitäten großen Orden mit mehreren Niederlassungen und einem breiten Betätigungsfeld gegenüber. Alle gemeinsam zu betrachten, hieße "Äpfel mit Birnen zu vergleichen". Möglich seien nur Studien zu einzelnen Gemeinschaften, wofür diese in erster Linie selbst verantwortlich seien.

Vereinbarung beschlossen

Dafür bietet nun die Vereinbarung mit Rörig eine Grundlage. Sie legt fest, dass über die sexuelle Gewalt hinaus auch andere "Formen physischer, psychischer und spiritueller Gewalt" aufgearbeitet werden sollen. Systemische Strukturen in den Ordensgemeinschaften, die solche Taten ermöglicht, erleichtert oder deren Aufdeckung erschwert hätten, sollen ebenso identifiziert werden wie der Umgang mit Tätern und Betroffenen.

Dazu sollen zwei Gremien eingerichtet werden. So ist ein "Ausschuss unabhängige Aufarbeitung" vorgesehen. Zudem sollen zu untersuchende Ordensgemeinschaften projektbezogen jeweils ein unabhängiges Aufarbeitungsteam beauftragen.

Nach der im vergangenen Jahr vorgestellten Studie haben erst 7 Gemeinschaften 14 solche Untersuchungen initiiert und 4 weitere solche geplant. Vor den Orden in Deutschland liegt also ein großes Aufgabenpensum.

 

Schwester Katharina Kluitmann / © Matthias Jung (KNA)
Schwester Katharina Kluitmann / © Matthias Jung ( KNA )

 

Johannes-Wilhelm Rörig / © Matthias Jung (KNA)
Johannes-Wilhelm Rörig / © Matthias Jung ( KNA )
Quelle:
KNA
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