Neues Buch über systemische Ursachen von Missbrauch in der Kirche

"Es geht nicht um Einzeltäter"

Welche systemischen Ursachen liegen dem Missbrauch in der Kirche zugrunde? Das fragt ein kürzlich erschienenes Buch aus interdisziplinärer Perspektive. An diesem Donnerstagabend wird es vorgestellt.

Autor/in:
Hannah Krewer
Sexueller Missbrauch durch Priester / © ambrozinio (shutterstock)
Sexueller Missbrauch durch Priester / © ambrozinio ( shutterstock )

Sexualisierte Gewalt – das ist nach wie vor ein großes Thema in der katholischen Kirche. Nicht erst seit Erscheinen der sogenannten MHG-Studie im Jahr 2018 ist klar: Es gab eine Vielzahl an Übergriffen auf Kinder und erwachsene Schutzbefohlene.

Beitrag der Bonner Fakultät zur Aufarbeitung

Ein kürzlich erschienenes Buch möchte jetzt einen Beitrag zur Aufarbeitung leisten: Das Werk "Ohnmacht.Macht.Missbrauch" fragt aus theologischer, aber auch aus medizinischer und psychologischer Perspektive nach den systemischen Ursachen sexualisierter Gewalt in der Kirche. "Es geht nicht um einzelne Täter", sagt Jochen Sautermeister, Professor für Moraltheologie, Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn und Mitherausgeber des Buchs. "Sondern es geht um die systemischen Faktoren, die Missbrauch begünstigen."

Nach der Veröffentlichung der MHG-Studie wollte die Bonner Fakultät einen Beitrag zur Aufarbeitung leisten. "Wir haben überlegt, welchen Beitrag die Theologie dazu leisten kann und inwiefern die Ergebnisse die Theologie herausfordern", so Sautermeister.

Aus einer Vorlesungsreihe wurde ein Buch

Am Anfang stand eine Vorlesungsreihe; aus diesen Beiträgen ist dann das Buch entstanden. Und der Titel "Ohnmacht.Macht.Missbrauch" ist ganz bewusst mehrdeutig gewählt. "Es geht um Missbrauch, um Machtmissbrauch und um Ohnmachtserfahrungen – und um das Ineinander dieser Aspekte", erklärt Sautermeister.

"Diese Verschränkung haben wir ganz bewusst anvisiert. Und tatsächlich weisen viele der Analysen in den Beiträgen der Autoren in eine ganz ähnliche Richtung – ohne dass dieser gemeinsame Nenner zuvor vorgegeben war."

Online-Vorstellung

An diesem Donnerstagabend wird das neue Buch in einer Online-Veranstaltung der Katholisch-Theologischen Fakultät vorgestellt. Neben den Herausgebern Prof. Sautermeister und Prof. Andreas Odenthal, Lehrstuhlinhaber des Fachs Liturgiewissenschaft, werden auch Prof. Thomas Sternberg, Vorsitzender des Zentralkommitees der Deutschen Katholiken sowie Mary Hallay-Witte, kommissarische Leiterin des Instituts für Prävention und Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt, teilnehmen.

Neben einigen Erläuterungen zum Buch werden Prof. Sternberg und Mary Hallay-Witte verschiedene Aspekte des Buches diskutieren und Impulse daraus in der Diskussion aufnehmen. "Bewusst haben wir zwei Perspektiven gewählt", so Sautermeister. "Einmal die verbandlich organisierte Ebene des deutschen Katholizismus mit Prof. Sternberg – und damit auch die des synodalen Wegs. Und gleichzeitig haben wir mit Frau Hallay-Witte eine Expertin aus der Prävention und Aufarbeitung, die sich damit auf überregionaler Ebene befasst."

Buch als theologische Reflexion und Ergebnissicherung

Für Professor Sautermeister soll diese Buchvorstellung drei Dinge leisten: "Wir wollen die systemische Dimension sexualisierter Gewalt in der Kirche in einem breiten Horizont theologisch reflektieren. Dann wollen wir auch die Verantwortung einer theologischen Fakultät zur Aufarbeitung und Prävention wahrnehmen. Denn Prävention ohne Aufarbeitung geht nicht und Aufarbeitung erfordert immer auch Prävention. Und drittens wollen wir auf das Buch als Ergebnissicherung im Diskurs hinweisen und es ins Gespräch bringen."


Moraltheologe Prof. Jochen Sautermeister / © Tomasetti (DR)
Moraltheologe Prof. Jochen Sautermeister / © Tomasetti ( DR )

Prof. Dr. Andreas Odenthal / © Bernhard Raspels (privat)
Prof. Dr. Andreas Odenthal / © Bernhard Raspels ( privat )
Quelle:
DR
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