Viele Neuanmeldungen bei Tafeln durch Ukraine-Krieg

"Wir sind bald am Limit"

Lebensmitteltafeln sind für viele eine wichtige Anlaufstelle und erleben gerade durch den Ukraine-Krieg einen großen Zulauf. Die Spenden an Tafeln sind weniger geworden, sagt Wolfgang Hildesheim, Geschäftsführer der Tafel Paderborn.

Symbolbild Tafeln / © Nicolas Armer (dpa)
Symbolbild Tafeln / © Nicolas Armer ( dpa )

DOMRADIO.DE: Erleben Sie das tatsächlich auch so, dass jetzt viel mehr Menschen und auch Flüchtlinge aus der Ukraine zu den Tafeln kommen?

Wolfgang Hildesheim (Geschäftsführer Tafel Paderborn): Das ist richtig. Wir machen bei uns einmal die Woche Neuanmeldung und wir haben so circa 100 Familien, die im Moment pro Woche bei uns vor der Tür stehen und sich anmelden möchten. Wir haben zehn Außenstellen und verteilen das dann darauf. Aber wir sind auch irgendwann jetzt am Limit, dass wir es nicht mehr schaffen.

DOMRADIO.DE: Das heißt, Sie bekommen nicht mehr ausreichend Lebensmittel, oder wie äußert sich das?

Wolfgang Hildesheim (Geschäftsführer Tafel Paderborn)

"Aber es wird irgendwann so sein, dass wir höchstwahrscheinlich nicht mehr genug Lebensmittel haben werden."

Hildesheim: Wir haben jetzt einen Aufruf gestartet, Lebensmittel zu bekommen, auch von unseren Großsponsoren und von Privatleuten. Wir haben es in der Zeitung annonciert. Das läuft auch einigermaßen an. Aber es wird irgendwann so sein, dass wir höchstwahrscheinlich nicht mehr genug Lebensmittel haben werden.

DOMRADIO.DE: Wo bekommen Sie die Lebensmittel für die Tafeln denn sonst genau her? Könnten zum Beispiel Supermärkte etwas liefern?

Hildesheim: Wir haben unsere Supermärkte hier so wie Lidl, Rewe, Netto, Edeka und alles, was es sonst an kleinen Lebensmittelmärkten gibt. Dann haben wir auch Großsponsoren, so wie Kühlmann in Westenholz oder Dr. Oetker, wo wir palettenweise Ware kriegen. Aber das ist auch weniger geworden, weil ich auch viel an die Ukraine gespendet haben. Dann haben wir Dosen-Lieferanten hier bei uns in Paderborn, ist auch alles in die Ukraine gegangen. Ein Teil kommt dann zu uns, aber es ist alles einfach weniger geworden.

DOMRADIO.DE: Das heißt, man kann nicht einfach sagen, dann sollen die Firmen doch mehr liefern? So einfach ist es nicht.

Hildesheim: Man hat jetzt die Beziehungen, weil man jetzt jahrelang schon mit denen zusammenarbeitet, die vergessen einen nicht. Aber es ist eben nicht mehr die Menge, die wir sonst gekriegt haben. Ganz extrem ist es bei den Lebensmittelmarken, wo wir die Frischware herkriegen, so wie Obst und Gemüse. Das wird im Moment auch weniger.

DOMRADIO.DE: Jetzt geht ja viel an die Menschen in der Ukraine. Man darf das aber nicht gegeneinander ausspielen. Wie machen Sie das?

Mehr als 220.000 Ukraine-Flüchtlinge in Deutschland erfasst 

In Deutschland sind seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine von der Bundespolizei 225 357 Kriegsflüchtlinge erfasst worden. Das teilte das Bundesinnenministerium am Montag mit.

In dieser Zahl enthalten sind nur Geflüchtete, die von der Bundespolizei angetroffen wurden, etwa an der österreichisch-bayerischen Grenze, an Bahnhöfen oder in Zügen. Im Regelfall gibt es keine festen Grenzkontrollen an den EU-Binnengrenzen, Ukrainer dürfen zudem ohne Visum einreisen - die Zahl der tatsächlich Angekommenen ist daher wahrscheinlich deutlich höher. 

Geflüchtetes Kind schaut aus dem Fenster / © Da Antipina (shutterstock)
Geflüchtetes Kind schaut aus dem Fenster / © Da Antipina ( shutterstock )

Hildesheim: Das kann man eigentlich von unserer Seite aus nicht so sehen, weil die Organisationen organisieren jetzt irgendwelche Transporte in die Ukraine, wo wir keinen Einfluss darauf haben. Wir haben in dem Moment jetzt unsere Kunden hier plus die Neuen, die jetzt dazu kommen, aus der Ukraine und jetzt sollen wir sie versorgen. Wenn wir jetzt vom Amt irgendwelche Anrufe kriegen, dass wieder sechs Familien kommen zum Anmelden, werden die dann erst mal drei Tage grundversorgt und kriegen dann ihre Papiere und können sich bei uns anmelden. Wir müssen auch die Lebensmittel dafür haben, aber da zerbricht sich im Moment keiner, auch von der Regierung, den Kopf.

DOMRADIO.DE: Was würden Sie sich da von der Politik wünschen?

Hildesheim: Ich würde mir wünschen, dass sie uns in dem Moment auch unterstützen, hauptsächlich finanziell.

DOMRADIO.DE: Wenn jetzt von der Seite nichts kommt, wie könnten denn zum Beispiel Privatpersonen die Tafeln unterstützen?

Hildesheim: Das ist das, was wir jetzt mit einem Zeitungsartikel organisiert haben, dass wir die gebeten haben, dass sie jetzt wieder in den Firmen sammeln oder die Privatleute uns Ware bringen. Ich weiß jetzt von vielen Firmen, die mich angeschrieben haben, die jetzt ein Rundschreiben machen. Ich habe hier so einige Firmen, die unter ihren Mitarbeitern sammeln. Das kommt dann auch noch rein. Aber viele Privatleute sammeln jetzt in dem Moment Ware für uns.

DOMRADIO.DE: Wenn jetzt jemand vielleicht keine Ware sammeln kann oder will, aber sich bei der Tafel engagieren möchte, würde Ihnen das auch helfen.

Hildesheim: Das hilft uns auch. Das habe ich auch mit in der Anzeige drin. Es sind auch schon drei oder vier positive Sachen dabei gewesen. Dann haben wir jetzt auch die ersten Ukraine-Flüchtlinge bei uns in der Halle, die helfen, zwei Damen, die sehr gut arbeiten. Die Sprachprobleme haben wir so eigentlich auch nicht, weil ich zwei Leute habe, die ganz gut die Sprache sprechen und die arbeiten mit ihren Handys oder so, das klappt eigentlich ganz gut.

Das Interview führte Hannah Krewer.

Quelle:
DR