Schulseelsorgerin sieht vor allem Schulabgänger verunsichert

Zukunftsängste durch Corona

Vor allem ältere Schülern leiden unter den Unsicherheiten, die die Ausnahmesituation um die Corona-Pandemie mit sich bringt. Das berichtet die Landespfarrerin für Schulseelsorge der Evangelischen Kirche im Rheinland, Sabine Lindemeyer.

Gerade ältere Schüler belastet die Corona-Situation / © Felix Kästle (dpa)
Gerade ältere Schüler belastet die Corona-Situation / © Felix Kästle ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie kreativ waren die Schulen, um aus den derzeitigen Umständen das Beste zu machen?

Sabine Lindemeyer (Landespfarrerin für Schulseelsorge der Evangelischen Kirche im Rheinland): Gerade zum Abschluss des Schuljahres gab es eine ganze Menge von Ideen. Die Herausforderung bestand ja in den Fragen: Wie kann man etwa Gottesdienste trotzdem feiern, obwohl man eben nicht in die Kirche darf oder nicht in die Aula darf?

Da bot sich für viele der Schulhof an, man hat da einfach mehr Platz. Und da gab es eine schöne Feier mit Regenschirmen zum Psalm 91, wo es heißt, von Gott beschirmt unter dem Schutz des Höchsten. Da gab es Schirme, die wurden auf dem Schulhof verteilt, und da konnten sich dann die Schülerinnen und Schüler mit ihren Eltern neben diese Schirme stellen. So war der Abstand gewahrt.

Dazu gab es dann einen sehr schön gestalteten Gottesdienst zu diesem Wort. Und es gab auch für manche das Geschenk, einen Zollstock, um das Maß zu halten - in jeder Weise eben auch den Abstand zu halten. Damit konnte man die 1,50 Meter nachmessen. Aber ein Zollstock hat ja auch viele andere Symbole. Man kann auch sagen, das Maß ist voll, mit Schule reicht das jetzt.

Oder einfach, das Maß in Zukunft finden, da kann man viel mit machen, mit diesem Symbol. Da hat die evangelische Kirche im Rheinland einige Zollstöcke gesponsert, damit die Abschlussfeiern mit diesem Symbol stattfinden können.

DOMRADIO.DE: Ihre Kolleginnen und Kollegen in der Schulseelsorge denken jetzt wahrscheinlich noch nicht so sehr an Ferien. Gerade sie haben jetzt schon noch einiges zu tun, oder?

Lindemeyer: Ja, wir haben jetzt einen sehr anstrengenden Job. Lehrkräfte im Allgemeinen haben es jetzt ganz schön schwer. Sie haben jetzt gerade formale Arbeiten, müssen die Zeugnisse schreiben, und da fehlt ein bisschen das gemeinsame Tragen des Stresses, was normalerweise in den Kollegien jetzt dran wäre, macht man eben sehr viel für sich.

Und es ist auch schwer, die Zeugnisse zu machen, ohne Absprachen mit den Kolleginnen und Kollegen. Da muss man sich schon was einfallen lassen. Man hat einfach wenig Möglichkeiten gehabt. Bis zum 13. März gab es ja Noten. Aber jetzt muss man ziemlich viel improvisieren und trotzdem muss alles Hand und Fuß haben, damit es nachher keine Widersprüche und keine Klagen gibt. Man ist also ziemlich gestresst.

Und dennoch: Die Schulseelsorgenden stehen immer für Gespräche zur Verfügung - gerade jetzt, wo es wieder Präsenzunterricht gibt.

DOMRADIO.DE: Mit welchen Sorgen und Nöten kommen da die Schülerinnen und Schüler zu den Seelsorgern?

Lindemeyer: Vor allem die Älteren kommen mit Sorgen und Nöten. Da geht es dann darum: Was ist mit meiner Lehrstelle? Was ist mit meinem Arbeitsplatz, den ich mir wünsche, nach meinem Abschlusszeugnis? Wie kann ich mich jetzt bewerben? Es ist alles schwierig geworden.

Die Arbeitgeber sind sehr zögerlich geworden mit Einstellungen und der Vergabe von Ausbildungsplätzen. Das belastet natürlich sehr. Zukunftsentwürfe sind ein Thema. Da kann man dann eben als Seelsorgerin sein Ohr leihen und hören. Was haben die Schülerinnen und Schüler für Nöte? Erst mal das aufnehmen, mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam tragen und gemeinsam gucken: Was ist jetzt dran? Wie kann man die Zeit anderweitig überbrücken? Was kann man Sinnvolles in dieser Zeit tun?

Die Jüngeren sind weniger belastet im Allgemeinen. Die haben sich einfach gefreut, gerade die Grundschüler haben sich richtig gefreut. Die haben jetzt wieder Präsenzunterricht und die sind ganz glücklich.

DOMRADIO.DE: Die Corona-Zeit hat gezeigt, wie wichtig Seelsorge an den Schulen ist. Denken Sie, dass sich da auch im Schulbetrieb nach den Sommerferien etwas ändern wird?

Lindemeyer: Da wird sich vieles ändern. Ich glaube viele Schulen haben den Mehrwert von Schuleseelsorge erkannt, einfach, dass es Menschen gab, die gesagt haben, wir schalten mal ein Krisentelefon. Wir setzen auf die Homepage ein Gesprächsangebot, das man wahrnehmen kann. Auch für Eltern zum Beispiel. Wir machen einen Schulseelsorge-Tablet für unsere Schule, worauf wir verschiedene Angebote zusammenfassen. Auch über die Schule hinaus Seelsorgeangebote bekanntmachen.

Jetzt im Präsenzunterricht sind wir sind wieder da. Wir sind da für Gespräche. Wir machen Schuleseelsorgecafe auf dem Schulhof oder wir haben einen Klassenraum, wo wir Gespräche führen können. Das haben viele Schulen bemerkt. Das finden viele Schulen inzwischen richtig gut und auch als eine Entlastung und eine Stärkung der Schulgemeinschaft.

Und ich glaube auch, der Religionsunterricht hat durch Schulseelsorge noch mal einen Relevanzschub bekommen, weil diese seelsorgliche Dimension im Unterricht nochmal viel stärker hervorgetreten ist. Da ging es jetzt häufig, wo er stattgefunden hat, um das, was uns wirklich angeht.


Quelle:
DR