Dokumentarfilm über Geistliche am Limit

"Bevor es mich zerreißt"

Verwalter, Manager, Seelsorger - auf den Schultern von Geistlichen lasten viele Aufgaben. Es fehlt an Geld, Zeit und Personal in den Gemeinden. Was tun, wenn die Diener Gottes an ihrer Last zu zerbrechen drohen?

Autor/in:
Lisa Konstantinidis
Junge Männer interessieren sich für den Priesterberuf / © Benedikt Plesker (KNA)
Junge Männer interessieren sich für den Priesterberuf / © Benedikt Plesker ( KNA )

Zeitdruck, Bürokratie, Sparmaßnahmen - Phänomene, die längst auch die Kirchengemeinden der Bundesrepublik erfasst haben. Der katholische Pfarrer Thomas Berkefeld aus Hannover und der evangelische Pastor Matthias Storck aus Herford stehen gleichermaßen unter Druck. Mit abnehmenden Ressourcen stemmen sie sich gegen den Schwund von Gläubigen, hadern mit der Fülle ihrer Verpflichtungen und versuchen gleichzeitig, den Menschen in ihren Pfarreien gerecht zu werden.

"Bevor es mich zerreißt"

In seiner NDR-Dokumentation "Bevor es mich zerreißt - Pastoren am Limit" fängt Autor Max von Klitzing den Alltag der beiden Geistlichen ein und erzählt von Augenblicken der Schwäche und Momenten der Stärke. Vor dem Bildschirm offenbart sich ein ernüchterndes Bild der Belastungen, denen sich Berkefeld und Storck ausgesetzt sehen. Auf der Strecke bleiben nach Darstellung des Filmemachers die Menschen - nicht nur die Mitglieder ihrer Gemeinden, sondern auch die Seelsorger selbst. Die emotionale Belastung steigt.

Vor allem an Zeit mangelt es den Protagonisten des Films. Zeit, die sie lieber für ihre Gemeindenmitglieder aufwenden würden, die sich mit ihren Erwartungen, Nöten und Hoffnungen nicht ohne Weiteres in eng getaktete Terminpläne pressen lassen. Auch ihre Gemeinden kämpfen mit den Umständen, müssen sich daran gewöhnen, dass ihr Pfarrer nicht immer zur Verfügung steht. Allzu häufig sitzt der nämlich hinter seinem Schreibtisch fest und kämpft mit einem bürokratischen Wust, der nicht weiter entfernt sein könnte von den pastoralen Aufgaben eines Geistlichen, wie Storck erzählt.

Was sind mögliche Auswirkungen aus der Krise?

Die Dokumentation zeichnet sich durch eine kluge Wahl der Schlüsselfiguren aus, die offen und ehrlich einen Einblick in ihr Inneres und ihren Umgang mit der schwierigen Situation ihres Alltages gewähren. Pastor Storck gibt unumwunden zu, dass die Belastungen zeitweise sogar Auswirkungen auf seine Beziehung zu Gott hatten. Es handele sich schließlich um eine lebendige Beziehung, die verloren gehen, aber auch wiedergefunden werden könne.

Hier ändert sich die Tonart des Films - weg von den Problemen und Herausforderungen der Geistlichen im Alltag, hin zu den möglichen Auswegen aus der Krise. Begleitete Auszeiten und Angebote der Ruhe existieren ebenso wie spirituelle Begleitung für die Geistlichen selbst. Die Kirchen wissen augenscheinlich um die seelischen Belastungen ihrer Mitarbeiter und wollen gegensteuern.

Pfarrer Berkefeld setzt auf die Kraft seines Glaubens, eine individuelle spirituelle Begleitung durch einen Pater und seinen freien Tag, der ihm heilig ist. All das soll ihm helfen, sein inneres Gleichgewicht zu bewahren und dem Stress zu widerstehen.

Pastor Storck erkannte vor zwei Jahren, dass er eine Auszeit brauchte. Er verließ seine Gemeinde für ein paar Wochen und widmete sich zur Abwechslung mal ausführlich dem eigenen Innenleben. Die Möglichkeit dazu fand er im Kloster Barsinghausen in Niedersachsen. "Inspiratio" heißt das Angebot der evangelischen Kirche, das begleitete Auszeiten für hauptamtlich tätige Geistliche anbietet. Für den Pastor aus Herford der Ort, an dem er seine innere Balance und die "Fröhlichkeit im Glauben" wiederfinden konnte.

Das Handtuch zu werfen will keiner der beiden

"Bevor es mich zerreißt" zeigt einfühlsam, dass Pfarrer und Seelsorger zwar mit großen Aufgaben betraut, aber eben auch nur Menschen mit eigenen Bedürfnissen und begrenzten Kräften sind. Ein Umstand, der gelegentlich in den Köpfen ihrer Schäfchen zu versickern droht.

Das Handtuch werfen will keiner der beiden Protagonisten des Films. Zu stark ist die Berufung des Amtes, zu große der Glaube. Raum zum Nachdenken und zur Kritik an den herrschenden Strukturen gibt es trotzdem. Storck stellt ernüchternd fest, dass sein Amt ihn mehr gekostet hat als seine Haftzeit in einem DDR-Gefängnis.

Zurück bleibt der Eindruck von zwei engagierten Vertretern einer gefährdeten Berufsgruppe, die versuchen, einen Drahtseilakt zwischen aushaltbarer Belastung und Überlastung zu vollführen. Und ein leiser bzw. lauter Zweifel, ob die begrenzten Hilfsangebote der Kirchen tatsächlich genügen können.


Quelle:
KNA