Papst sorgt sich um den Alltag der Priester

"Man könnte rund um die Uhr unterwegs sein"

Der Papst betet im Juli für die Priester und deren Herausforderungen in ihrem Dienst. Auch mal "Nein" sagen und Gott Spielraum lassen, sind gute Erfahrungen für Pfarrer Ralf Neukirchen. Er gibt einen Einblick in seinen Alltag.

Papst Franziskus weiht elf Priester am 17. April 2016 im Petersdom im Vatikan. Bild: Die Weihekandidaten. / © N.N. (KNA)
Papst Franziskus weiht elf Priester am 17. April 2016 im Petersdom im Vatikan. Bild: Die Weihekandidaten. / © N.N. ( KNA )

"Ein Priester arbeitet an so vielen Fronten. Es ist nicht verwunderlich, wenn er sich nach einer Enttäuschung schwer tut", sagt Papst Franziskus in seiner Videobotschaft mit seinem Gebetsanliegen für den Monat Juli. Pfarrer Ralf Neukirchen ist leitender Pfarrer in Köln-Chorweiler und gibt einen Einblick hinter diese "Fronten": Was sind das für alltägliche Situationen eines Priesters, woraus schöpft er Kraft und wie kann er trotz allem seelsorgerisch tätig sein?

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie diesen Sonntag bisher verbracht?

Pfarrer Ralf Neukirchen (Leitender Pfarrei der Kirchengemeinde St. Johannes XXIII. in Köln-Chorweiler): Erstmal bin ich, wie jeder normale Mensch, morgens aufgestanden. Und dann habe ich dem Gebet ein bisschen Zeit gewidmet, das gehört ja dazu sonntags. Vor dem Sonntagsgottesdienst habe ich dann noch ein bisschen meine Gedanken geordnet. Direkt im Anschluss an den Gottesdienst hatte ich eine schöne Taufe und jetzt bin ich hier im Interview.

DOMRADIO.DE: Dass der Sonntag für den Pfarrer ein normaler Arbeitstag ist, das ist ja durch den Gottesdienst schon klar. Haben Sie denn dann am Montag frei und mal Ruhe?

Neukirchen: Die ehrliche Antwort ist Nein. In der Regel ist die Woche so vollgestopft. Zumindest der Montag ist meistens zur Hälfte belegt mit Abarbeiten oder Vorarbeiten von den Dingen, die in der Woche anstehen. Es sind immer viele Termine, die man hat. Jetzt in den Sommermonaten stehen viele Feste und Feiern an, wo wir uns natürlich immer Mühe geben, dort hinzugehen. Aber alles kann man auch nicht besuchen. Man könnte aber wirklich rund um die Uhr unterwegs sein.

DOMRADIO.DE: Oft wird ein Priester heutzutage als Manager bezeichnet. Wenn man mal Ihre Zahlen anschaut, könnte man das in der Tat sagen. Sie haben 60 Angestellte, vier Sekretärinnen, einen Verwaltungsleiter, ein Sozialzentrum in der Gemeinde und ungefähr 11.000 Gläubige. 

Neukirchen: Es bleibt dabei, es gibt da viel zu managen. Es gibt vor allen Dingen viel in der Kommunikation zu tun, sodass man alle verschiedenen "Player" in der Gemeinde zusammenbringt. Das ist gar nicht so einfach, weil die Informationen immer so schnell um die Ecke kommen und das gar nicht alles steuern kann. Ich bin froh um den Verwaltungsleiter, den ich habe. Er kümmert sich um die 60 Angestellten. Das ist für mich eine sehr große Entlastung. Ich bekomme dadurch auch schon mal den Kopf dafür frei, wo auch der Bischof sein Herz dran gehängt hat: Wie können wir die Menschen begleiten, mit dem, was wir anzubieten haben? Wie erreichen wir Menschen in der Zukunft, die nicht mehr so beheimatet sind in der Kirche?

DOMRADIO.DE: Wo nehmen Sie die Kraft für alles her?

Neukirchen: Es ist schön etwas zu machen, wo man merkt: Hier bin ich richtig. Und im Gottesdienst und im Gemeindegeschehen darf ich das immer wieder spüren. Es gibt natürlich auch die Herausforderungen, da sitze ich auch schon einmal mit Ringen unter den Augen da. Aber ich versuche zwischendurch immer wieder in den Minuten, die zwischen den Terminen sind, tief durchzuatmen. Ich mag Musik und Ikonenmalerei. Das ist mir sehr wichtig. Das sind aber Dinge, da muss ich mir bewusst mehr Freiraum für nehmen. Aber wenn man dann die Ikone betrachtet und auch ein bisschen davor betet, ist das ein sprechendes Geschehen und eigentlich sehr schön. 

DOMRADIO.DE: Der Papst sorgt sich um die Gesundheit – körperlich, wie geistig – seiner Priester, Seelsorger und Pfarrer. Die Belastungen in den modernen Gemeinden sind eigentlich nicht mehr mit denen zu vergleichen, wie es vor 50 oder 100 Jahren gewesen ist. Nun sind Sie in der Gemeinde in Chorweiler tätig, den Stadtteil kann man als Problembezirk bezeichen. Wie groß ist da auch die innere Belastung?

Neukirchen: Es stimmt natürlich schon ein wenig. Chorweiler ist irgendwo in den Köpfen ein Schreckgespenst und gilt als Problemkind. Ich wohne sehr gerne in Chorweiler. Es gibt so viel Herzlichkeit, guten Willen und so viel Engagement von allen Beteiligten. Man ist einfach in einer guten Nachbarschaft. Aber es gibt natürlich auch die Probleme, die mit so einer Plattenbausiedlungen verbunden sind. Die Menschen haben keine Fassaden. Sie kommen direkt mit ihren Anliegen, Wünschen, Sorgen. Wenn man so möchte, ist das ein sehr schönes seelsorgerisches Arbeiten. Es ist dadurch dann anstrengend, dass man nicht jedem so helfen kann, wie man es gerne möchte. Das macht vielleicht auch so eine innere Belastung von einem Seelsorger aus. Man sieht die Leute vor sich und was ich ihnen geben kann, ist die Botschaft Jesu "Steh auf". Es ist ein sehr schönes "Kirche sein", man ist an den Grenzen, an den Peripherien – so wie auch der Papst sagte, wo wir als Priester sein sollen. 

Es gibt Tage, die sind knüppeldick und dann kommt eine Hiobsbotschaft nach der anderen. Und es gibt viele Gemeindemitglieder, die sehr fordernd sind. Da kann man nicht jedem "Ja" sagen. Ich habe im Bücherregal ein Buch stehen, das mir ein bisschen wertvoll geworden ist. Es heißt "Nein sagen ohne Schuldgefühle". Man muss auch lernen, den Moment zu erkennen: "ab jetzt muss der liebe Gott übernehmen". Das heißt es ist ein Abgeben im Gebet an Gott. Und vor allen Dingen auch, die Hilfe annehmen, die viele Menschen um einen herum geben und anbieten. Auch das muss man entdecken.

Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.


Pfarrer Ralf Neukirchen / © Melanie Trimborn (DR)
Pfarrer Ralf Neukirchen / © Melanie Trimborn ( DR )
Quelle:
DR
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