Londoner Diakon zur Lage nach dem Terroranschlag

"Mit Liebe dagegenhalten"

Eine Stadt kämpft darum, sich die Normalität nicht nehmen zu lassen. Auf diesen Nenner bringt der Londoner Diakon Stephan Arnold die Situation in der Stadt zwei Tage nach einem erneuten Terroranschlag, bei dem sieben Menschen starben.

Erhöhte Sicherheit nach Anschlag in London / © Alastair Grant (dpa)
Erhöhte Sicherheit nach Anschlag in London / © Alastair Grant ( dpa )

domradio.de: Wie erleben Sie London nach dem erneuten Terroranschlag?

Stephan Arnold (Diakon der deutschsprachigen katholischen Gemeinde St. Bonifatius in London): Es ist schon so, dass ein bisschen Angst herrscht. Aber es ist auch so, dass sich alle sagen, sie dürfen keine Angst haben. Die Londoner wollen das auch nicht. Sie wollen, dass die Stadt so offen und frei bleibt, wie sie ist. Deshalb versuchen alle, ihr Leben so zu leben, wie vorher auch.

domradio.de: Die Sicherheitsvorkehrungen sind nach dem letzten Anschlag noch einmal verschärft worden, betonte der Londoner Bürgermeister. London würde zu den sicheren Städten gehören. Merkt man das?

Arnold: Wenn man in der Stadt unterwegs ist, dann sieht man schon vermehrt bewaffnete Sicherheitskräfte, also in der Regel Polizei, die patrouilliert. Aber im Großen und Ganzen fühlt man sich sicher. Es ist auch nicht so, dass man diesen Zustand an allen Ecken und Enden hätte. Man sieht das immer mal wieder im Stadtbild. Beängstigend wirkt es aber nicht.

domradio.de: Gestern gab es ein Benefizkonzert in Manchester. Ariana Grande und weitere Stars hatten sich dafür zusammengetan. Die Botschaft: Man setzt dem ganzen Terror Liebe entgegen. Ist das eine Erfahrung, die Sie auch in Ihrer Gemeinde beobachten? Sagen die Menschen dort auch, man müsse mit dem christlichen Glauben und Liebe dagegenstehen, oder gibt es auch welche, die sagen: "Es reicht"?

Arnold: Es ist im Grunde so, dass die Menschen sagen, man müsse mit Liebe gegenhalten. Es gibt kaum Stimmen, die wollen dass mit polizeilichen Mitteln stärker dagegen vorgegangen wird. Man wird natürlich überlegen müssen, wie man bessere Prävention betreiben kann. Aber im Grunde sind die Menschen der Auffassung, dass es sich um einige Verblendete handelt, die so etwas tun. Da wird aber nicht pauschalisiert und alle Muslime gleich verdächtigt. Das habe ich jedenfalls noch nicht erlebt.

domradio.de: Sind Sie als Diakon und Seelsorger da nicht mehr gefordert als vorher?

Arnold: Wir müssen natürlich schon in unseren Gottesdiensten darauf eingehen. Wir versuchen, aus dem christlichen Glauben heraus, dazu Stellung zu beziehen. Aber es ist so, dass die meisten besonnen reagieren, so dass man da nicht gegen Ängste vorgehen muss. Die deutsche Gemeinde hat ja ein Gästehaus hier in London, das recht zentral gelegen ist. Da ist es schon noch ein bisschen anders, weil man da stärker mit Menschen zu tun hat, die nur in London zu Besuch sind. Dort fühlt man sich vielleicht doch ein wenig anders, als wenn man hier tatsächlich lebt. Da muss man auch mit den Menschen sprechen und sie beruhigen, beziehungsweise an der Stelle ist man auch selber betroffen. Am Samstagabend waren noch einige Gäste aus dem Haus unterwegs, die noch einen Themse-Spaziergang unternehmen wollten. Da ist man natürlich froh, wenn alle unversehrt wieder ankommen.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Quelle:
DR