Caritas berät bei Online- und Spielesucht

Keine Medien sind auch keine Lösung

Mit einem neuen Hilfsprojekt wollen Mediziner Internetsüchtige im Internet selbst erreichen und helfen. Erstmals präsentieren sie ihr Projekt bei der Computermesse Gamescom. Auch die Caritas hilft Jugendlichen beim "Log Out".

Virtual Reality beeindruckt viele / © Oliver Berg (dpa)
Virtual Reality beeindruckt viele / © Oliver Berg ( dpa )

Es hat Zeiten im Leben von Matthias gegeben, in denen er 16 Stunden am Tag vor dem Computer saß. Zu Hause, in seinem Zimmer. Er hat Videos im Internet geschaut und vor allem PC-Spiele gespielt. "Gezockt", wie er sagt. 19 Jahre alt war er damals. Heute, zwei Jahre später, hat Matthias eine stationäre Therapie gegen seine Sucht hinter sich und geht zur Selbsthilfegruppe "Log Out" der Caritas in Osnabrück. "Ich hatte mir mein eigenes Gefängnis vor dem Computer gebaut und war am Nullpunkt", erklärt der 21-Jährige rückblickend. "Jetzt führe ich ein neues, ein anderes Leben."

Einmal in der Woche trifft sich die Selbsthilfegruppe in Osnabrück. Im Moment sind Matthias und Jens zu zweit, ein dritter Teilnehmer ist kürzlich verzogen. Beide würden sich über neue Mitglieder freuen. "Wir sind offen und verurteilen niemanden", betont Jens. "Jeder Betroffene kann zu uns kommen. In unseren Runden sprechen wir darüber, was uns bewegt - mit Blick auf unser Medien-Konsumverhalten, aber auch ganz unabhängig davon."

Hilfe auch für Serien- und Smartphonejunkies

Onlinesucht habe viele Gesichter, sagt Sandra Pagnoux vom Präventionsprojekt "Log Out" der Caritas. "Da geht es nicht nur um ständiges Computerspielen", erläutert die Suchtberaterin. "Andere Betroffene schauen ununterbrochen Filme und Serien im Netz, halten sich dauerhaft in Foren und sozialen Netzwerken auf oder kleben an ihren Smartphones." Problematisch werde es, wenn der Betroffene durch den Konsum sein übriges Leben vernachlässige, dadurch Probleme unterdrücke und nichts anderes mehr für ihn zähle. 
So ist es Jens ergangen, der in seiner Jugend viel Computer gespielt hat. "Zu viel", sagt der 28-Jährige heute. Damit habe er zwar irgendwann aufgehört, doch dann habe er angefangen zu streamen, also Serien und Filme im Internet zu gucken. Jeden Tag habe er das gemacht und so dauerhaft, dass schließlich nichts anderes mehr für ihn existierte.

Ganz ohne Medien geht es nicht

"Essen, duschen, einkaufen - mehr gab es neben dem Streamen nicht für mich", erinnert er sich. Zwei stationäre Therapien hat er hinter sich. Und er geht zur Selbsthilfegruppe. "Die Gespräche hier geben mir Halt", sagt er. "Zum Beispiel, wenn ich befürchte, rückfällig zu werden."

Denn: Ganz ohne Medien geht es nicht. Dafür sind Computer, Tablet und Smartphone heutzutage viel zu selbstverständlich und Alltagswerkzeuge im Berufs- wie im Privatleben. "Betroffene müssen lernen, sich zu beschränken und Alternativen zur Beschäftigung zu finden", betont Sucht-Expertin Sandra Pagnoux.

Schwimmen und "echte" Kartenspiele

Jens zum Beispiel schaut zwar noch Serien, "aber dann nur eine oder zwei Folgen". Er hat einen neuen Arbeitsplatz gefunden und das Schwimmen für sich entdeckt. Matthias wiederum versucht, die Finger ganz vom Streamen und den Videospielen zu lassen. Er macht inzwischen viel Sport und spielt ein Kartenspiel "mit echten Karten", wie er sagt. Darüber hat er neue Freunde gefunden.
Die Gespräche in der Selbsthilfegruppe geben beiden jungen Männern Orientierung. "Uns ist jeder willkommen, der das Gefühl hat, einen problematischen Medienkonsum zu haben", sagt Matthias. Die offizielle Diagnose Onlinesucht sei dafür nicht erforderlich.

Bundesweites Hilfsangebot startet mit Gamescom

Für alle, die nicht im Bistum Osnabrück leben, gibt es sehr bald ein neues Hilfsangebot im Internet. Mediziner der Universitätsklinik Bochum haben einen Online-Ambulanz-Service für Internetsüchtige (Oasis) entwickelt. Süchtige sollen in Webcam-basierten Sprechstunden beraten, kündigte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) als Träger an. Dadurch wolle die LWL-Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie deutschlandweit die Versorgung von Internet- und Computerspielsüchtigen verbessern.

Das Projekt wird den Angaben zufolge vom Bundesgesundheitsministerium gefördert. Vorgestellt wird Oasis erstmals auf der weltgrößten Computerspielmesse, der Gamescom 2016 in Köln. Die Gamescom dauert vom 17. bis 21. August.

Mehr als 500.000 Besucher werden erwartet, über 800 Aussteller aus 50 Ländern haben sich angekündigt. Das Oasis-Team hat seinen Stand in der Halle 10.2 im Jugendforum NRW.


Quelle:
Caritas , DR , epd