Notfallseelsorger berichtet aus Hochwassergebiet in Niederbayern

"Wenn die Häuser ausgeräumt sind, kommen die Fragen"

Das Hochwasser verwüstet vor allem in Niederbayern zahlreiche Orte. Die gröbsten Schäden sind inzwischen beseitigt, doch die materiellen und psychischen Folgen sind unabsehbar. Notfallseelsorger kümmern sich um Betroffene.

Autor/in:
Bernd Buchner
Nach dem Hochwasser in Simbach / © Tobias Hase (dpa)
Nach dem Hochwasser in Simbach / © Tobias Hase ( dpa )

Der Wiederaufbau der vom Hochwasser zerstörten Orte in Niederbayern wird nach den Worten von Notfallseelsorger Dieter Schwibach eine Mammutaufgabe. "Simbach wird neu entstehen müssen", sagt der katholische Pastoralreferent, den die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) am Dienstag im Lagezentrum in der Kreisstadt Pfarrkirchen telefonisch erreicht. Allein in Simbach, dem Grenzort zu Österreich, sind Dutzende Häuser zerstört.

Bei der Flut im Kreis Rottal-Inn kamen am Mittwoch vergangener Woche mindestens sieben Menschen ums Leben, zahllose Menschen sind obdachlos. Mindestens 150 Menschen mussten teils mit Hubschraubern aus unmittelbarer Todesgefahr gerettet werden, dabei haben sich dramatische Szenen abgespielt. Dutzende Kinder und Jugendliche verbrachten im Ort Triftern die Nacht in ihrer Schule, die wegen der Überschwemmungen von der Außenwelt abgeschnitten war. Nach und nach wurde das Ausmaß der Katastrophe klar, der Sachschaden dürfte bei mehr als einer Milliarde Euro liegen.

Enormer Gesprächsbedarf

"Die Leute beginnen jetzt zu realisieren, was geschehen ist", erläutert Schwibach knapp eine Woche nach der Flut. In den ersten Tagen nach dem Unwetter seien sie mit der ersten Beseitigung der Schäden beschäftigt gewesen. "Wenn die Häuser ausgeräumt sind, kommen die Fragen." Der Gesprächsbedarf sei enorm gestiegen, sagt der Passauer Theologe. Die Notfallseelsorger bauten ein "nachhaltiges System der Betreuung auf" und fragten, was die Betroffenen an materieller und psychosozialer Hilfe benötigten.

Gegenwärtig sind 53 Seelsorger der Kirchen und des Kriseninterventionsteam in der Region im Einsatz. Das Katastrophengebiet an der deutsch-österreichischen Grenze ist rund 430 Quadratkilometer groß. Nach Schwibachs Worten gibt es an 500 Häusern wirtschaftlichen Totalschaden, rund 150 Menschen mussten aus Todesgefahr gerettet werden. Wann der Katastrophenfall aufgehoben werde, sei unklar. Die Seelsorger würden aber auf jeden Fall länger bleiben. "Die Hilfskräfte ziehen irgendwann ab, aber die Leute bleiben ja da", sagt der Pastoralreferent.

Soforthilfe auch für die Seele wichtig

Die staatlichen und kirchlichen Soforthilfen haben laut Schwibach nicht nur materielle, sondern auch seelische Bedeutung. "Das ist total wichtig." Auch dadurch spürten die Betroffenen, dass sich jemand um sie kümmere. Der Freistaat Bayern zahlt jedem von der Flut geschädigten Haushalt 1.500 Euro aus, das Bistum Passau 300 Euro. Bei der Auszahlung gebe es zudem Gelegenheit, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, ergänzt der Kirchenmitarbeiter. Viele von ihnen sagten: "Es hat so gut getan, endlich mal schimpfen zu können."

Die Notfallseelsorger halten nach Schwibachs Schilderung täglich eine Lagebesprechung im Pfarrkirchener Landratsamt ab und fahren dann zum "Streetworking" in die betroffenen Orte, um zu sehen, was die Menschen benötigten. "Wir fragen nicht: Wie geht es dir? Das wäre zynisch", so der Pastoralreferent. "Sondern: Was brauchst du?" Gerade in den kleineren Orten gebe es zudem eine "sagenhafte Helferstruktur in sich selbst". Viele Freiwillige seien aber eine Woche nach der Flutkatastrophe am Ende ihrer Kräfte. "Manche Helfer brechen zusammen", so Schwibach.

Zum Schluss des Telefonats erinnert er an die Worte von Papst Franziskus, der sagte, Christen müssten sich auch mal "die Hände schmutzig machen". "Das tun sie hier gerade", so der Pastoralreferent. Er verweist auf den Pfarrkirchener Dekan Wolfgang Schneider, der neben seelsorglicher Hilfe auch für die örtliche Feuerwehr im Einsatz ist und sich in den vergangenen Tagen kaum eine Pause gegönnt hat. "Der steht seit einer Woche buchstäblich im Dreck", schildert Schwibach.


Quelle:
KNA