Festivalseelsorge in Wacken

"Die Leute sind hier in einer extremen Stresssituation"

Tilman Lautzas ist Landesjugendpastor der evangelischen Nordkirche und leitet die Festivalseelsorge beim Wacken-Festival. Im domradio.de-Interview spricht er über ausgeraubte Zelte und Beziehungsprobleme, die die Metal-Fans zu seinem Team führen.

Festivalseelsorge beim Wacken-Festival / © Klaus Deuber, Nordkirche
Festivalseelsorge beim Wacken-Festival / © Klaus Deuber, Nordkirche

domradio.de: Sie engagieren sich schon lange beim Wacken Heavy Metal Festival. Wenn man da nicht selber Metal-Musik-affin ist, dann geht das doch gar nicht, oder? 

Tilman Lautzas (Landesjugendpastor der evangelischen Nordkirche): Ich war vorher nicht Metal-affin. Ich mag ein relativ breites Spektrum an Musik, habe aber wenig Metal im Schrank. Es ist doch so: Wenn man erstmal da ist, merkt man, wie vielfältig die Metal-Musik ist. Da gibt es A-Cappella-Metal, die klassischen Hardrock-Bands, Death Metal und so weiter. Irgendetwas gefällt mir da immer. 

domradio.de: Sie sind bei diesem Festival als Seelsorger unterwegs. Ihr Team hat ein festes Zelt. Wer kommt denn da so zu Ihnen?

Lautzas: Das ist sehr unterschiedlich. Es sind ja etwa 90.000 Leute auf dem Platz. Das sind nicht nur die Langhaarigen und die Tätowierten, sondern Leute aus allen Bildungsschichten und Berufen. Die schmeißen sich in Schale für Wacken und lassen hier die Sau raus. Es sind also Menschen ganz unterschiedlicher Art, die auch sehr unterschiedliche Probleme mitbringen.

domradio.de: Für Metal-Fans ist das Wacken der Höhepunkt des Jahres. Sie hören die Musik, trinken Bier, zelten. Da kann man sich kaum vorstellen, dass in dieser Atmosphäre jemand bei Ihnen im Seelsorgezelt sitzt und über die schwer kranke Schwester oder die Trennung von der Frau spricht. Was für Sorgen und Nöte vertrauen sie Ihnen denn an? 

Lautzas: Viele Sorgen entstehen vor Ort, weil die Leute in einer extremen Stresssituation sind. Sie zelten auf einer Wiese, auf der im Frühjahr noch die Kühe gestanden haben und auf die jetzt der Regen fällt. Es gab schon das Problem, dass Zelte ausgeraubt wurden. Dann stehen die Leute schon am ersten Tag ohne Alles da. Es kommen aber auch Gruppen, die als angebliche Freunde nach Wacken fahren und dann, wenn es hier vor Ort stressig wird, doch nicht mehr so gute Freunde sind. Beziehungen und Partnerschaften spielen bei uns in der Seelsorge eine Rolle und auch Probleme, die man von Zuhause mitbringt. 

domradio.de: Und die Leute, die Hilfe brauchen, kommen dann bei Ihnen vorbei? 

Lautzas: Genau so ist es. Wir gehen aber auch in Teams über das Feld und schauen, ob Leute Hilfe brauchen. Bei uns im Zelt sind aber auch immer vier Mitarbeiter. Die eine Hälfte der Besucher kommt zu uns, weil sie von uns weiß oder unser Schild gesehen hat, und die andere Hälfte wird vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) oder von der Polizei zu uns geschickt, damit sich das DRK um körperlich Verletzte kümmern kann. Wir sind dann für die psychischen Probleme da. 

domradio.de: Was steht auf Ihrem Schild, von dem Sie gerade gesprochen haben?

Lautzas: Da steht "Festivalseelsorge" drauf. Und das auch in vielen Fremdsprachen, weil das ja ein internationales Festival ist.

 

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR