Vor 150 Jahren: Geburtsstunde der Heilsarmee

Die Welt ein wenig menschlicher machen

Nächstenliebe und christlicher Glaube, das sind die beiden Pfeiler, auf denen die Heilsarmee fußt. Die "Heilssoldaten" kümmern sich um Arme, Kranke und Hungernde in aller Welt. Heute betreibt sie mehr als 4.000 soziale Einrichtungen und Schulen in 126 Ländern.

Heilsarmee im Bonner Quartier (KNA)
Heilsarmee im Bonner Quartier / ( KNA )

In dunkelblauer Uniform und mit einem großen, leuchtendes "H" am Revers: So kennt die halbe Welt die Soldaten und Soldatinnen der Heilsarmee. Nach militärischen Grundsätzen organisiert und mit einem ungebrochenen Willen zur Missionierung der Welt nimmt die methodistisch geprägte Freikirche einen Sonderplatz unter den Hilfsorganisationen der Welt ein.

William Booth (1829-1912) gründete die Organisation im Jahr 1865 im Londoner East End, dem weniger reputierlichen Teil der Metropole des Weltreiches der Queen Victoria. Er errichtete ein Zelt auf einem Friedhof der örtlichen Quäkergemeinde und begann zu predigen. Booth dürfte nicht geahnt haben, dass er im Begriff stand, etwas Dauerhaftes aufzubauen. Es war die Geburtsstunde der Heilsarmee - oder der, wie sie im angelsächsischen Sprachraum heißt, "Salvation Army".

Die "salvation" - was man auch als "Rettung" übersetzen könnte - seiner Zeitgenossen hatte Booth im Sinn: eine Hilfe im Kampf um das Überleben für die Armen, die Obdachlosen, die Hungernden zu sein. Der aus dem englischen Nottingham stammende Booth hatte als 15-Jähriger ein Bekehrungserlebnis, das ihn zu intensiver Gläubigkeit inspirierte. Gemeinsam mit anderen Evangelikalen begann er, in den Straßen Nottinghams zu predigen.

Soziales Engagement

Nach einem Umzug nach London und der Heirat mit Catherine Mumford machte er die Verkündung von Gottes Wort zu seinem Beruf. Seine neue Organisation, die aus den ersten Predigten und Vorträgen im Zelt im Juni 1865 erwuchs, erhielt zunächst den Namen "Christian Mission".

Soziale Anliegen standen oben auf der Agenda: Ein "Essen für Millionen"-Programm sollte den Menschen in den Elendsvierteln der Industriemetropole im täglichen Kampf gegen den Hunger helfen. 1878 erhielt die inzwischen weiter angewachsene Bewegung ihren heutigen Namen.

Die Armee des William Booth war - und ist - nach militärischem Vorbild organisiert, über viele Jahre mit dem Gründer in der Rolle des Oberbefehlshabers. Sie breitete sich in andere Länder aus und fand vor allem in den USA fruchtbaren Boden. Booth besuchte die Neue Welt 1886. Heute hat die Heilsarmee in 126 Ländern Fuß gefasst. Die Mitgliederzahl - oder Truppenstärke - soll bei 1,4 Millionen liegen.Sie ist dort, wo es brennt. Nach den schweren Überschwemmungen in Chile, Ecuador und Peru verteilten mehrere Divisionen Lebensmittel und Trinkwasser. Beim Erdbeben in Nepal waren die Salutisten mit Katastrophenhilfsdiensten zur Stelle. Notfallseelsorger der Heilsarmee standen auch am Düsseldorfer Flughafen bereit, als der Absturz der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen im März dieses Jahres bekannt wurde. 

Feierlichkeiten zum Jahrestag

In vielen dieser Länder wird nun gefeiert, allerdings überwiegend auf bescheidenem Fuß, wie es der Organisation geziemt. Mancherorts sind es Paraden; häufiger aber werden Zusammenkünfte mit jenen Menschen organisiert, die der Heilsarmee am Herzen liegen: den Bedürftigen. So gibt es in zahlreichen Städten der USA eine Kombination von Liederabend und Dinner zum Jahrestag - wobei daran erinnert wird, dass in diesem vermeintlich so reichen Land nicht weniger als 30 Millionen Menschen jedes Jahr Hilfeleistungen durch die Heilsarmee erhalten.

Die zentrale Veranstaltung indes findet vom 1. bis 5. Juli in London statt: ein großer Kongress mit "Soldaten" aus jeder der 126 Nationen unter dem Titel BOUNDLESS: The Whole World Redeeming (etwa: Die ganze Welt grenzenlos erlösend). Am Rande der Tagung findet ein Begleitprogramm statt, unter anderem mit Exkursionen auf den Spuren von William Booth.

"Mind the gap"

Doch wie immer wird die Heilsarmee auch bei dieser feierlichen Gelegenheit das tun, was ihr Bild bei vielen Menschen prägt: Frohgemute Uniformierte stehen unverdrossen an der Straßenecke und sammeln Spenden für Bedürftige. Der Aufruf zu dieser großen Aktion im Jubiläumsjahr steht unter einem Motto, das jeder Londoner - und jeder London-Tourist - allzu gut kennt: "Mind the gap". Diese an allen U-Bahn-Stationen stets durchgegebene Warnung vor dem "gap", dem Spalt zwischen Bahnsteig und Waggon, gilt für unsere Welt im weitesten Sinne: Der Spalt, die Kluft zwischen Arm und Reich, ist nach wie vor unerträglich groß.

Roland Gerste


Quelle:
KNA , epd , dpa