Neues Kirchenpapier zur sozial-ökologischen Transformation

"Es geht jetzt um den nächsten Schritt"

"Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde", beginnt ein beliebtes geistliches Lied. Es ist jetzt höchste Eisenbahn beim Klimaschutz. Ein neues Expertenpapier der Deutschen Bischofskonferenz enthält Anregungen für jeden.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
Baumstümpfe von abgestorbenen Fichten / © Christopher Beschnitt (KNA)
Baumstümpfe von abgestorbenen Fichten / © Christopher Beschnitt ( KNA )

Schon wieder ein Kirchenpapier zum Klimaschutz, wird mancher sagen. Der Münchner Wirtschaftsethiker Johannes Wallacher lässt sich nicht beirren. "Es geht jetzt um den nächsten Schritt", sagt er. Eine Expertengruppe unter seiner Leitung hat für die Deutsche Bischofskonferenz eine Studie erarbeitet, "wie sozial-ökologische Transformation gelingen kann". Sie wurde am 16. Juni in Berlin vorgestellt.

Auf 60 gut lesbaren Seiten entfalten die Autorinnen und Autoren aus Wirtschafts-, Politik- und Klimawissenschaft, aus Theologie und Philosophie zunächst eine ethische Zielperspektive: "Alle Menschen sollen jetzt und künftig unter Wahrung der planetaren Grenzen gut leben können." Das aber erfordere einen fundamentalen Wandel in Wirtschaft, Politik und Konsum.

Enzyklika "Laudato si"

Klimawandel, Artenvielfalt, Trinkwasser: Diese Themen bestimmen die Umweltenzyklika von Papst Franziskus. Er wendet sich damit an "alle Menschen guten Willens" - und erklärt, warum eine ökologische Umkehr auch soziale Gerechtigkeit bedeutet. Papst Franziskus hat die reichen Industrienationen zu einer grundlegenden "ökologischen Umkehr" aufgefordert, um globale Umweltzerstörung und Klimawandel zu stoppen.

Deutsche Ausgabe der Enzyklika "Laudato si" / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Deutsche Ausgabe der Enzyklika "Laudato si" / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Freilich, am Beginn des Textes steht eine Analyse, woran es hakt, Beispiel Mobilität. Der Deutschen liebstes Kind, das Auto, steht 92 Prozent seiner "Lebenszeit" ungenutzt herum und nimmt dazu auch noch anderen Platz weg: Fußgängern, Radfahrerinnen, spielenden Kindern. Im Schnitt hat ein Pkw fünf Sitze, auf Fahrten sind davon aber nur anderthalb besetzt. Sich daher nur auf einen umweltverträglicheren Antrieb wie einen Elektromotor zu konzentrieren, greife daher zu kurz, sagen die Autoren. "Nutzen statt besitzen", heißt ihr Zauberwort für die Zukunft. Und das gilt nicht nur für den Verkehr, sondern auch für viele andere Konsumthemen.

Optimistischer Grundton

Der Grundton des Papiers ist optimistisch: Das Ziel sei keine Utopie, sondern wirklich erreichbar. Dazu beschreiben die Experten vier Stellschrauben, eine davon ist die ökologische Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft. Verbote sind dabei für Wallacher und Co. nicht das erste Mittel der Wahl. Wohl aber geht es um neue Anreize, um etwa Förderung und Verbrennung klimaschädlicher Kohle unattraktiver zu machen und dafür mehr Investitionen in nachhaltigere Technologien zu lenken.

Eine besondere Rolle misst der Text den Religionsgemeinschaften bei. Die katholische Kirche sei als Global Player bestens geeignet, um zwischen gegensätzlichen Interessen zu vermitteln. Und das tut sie laut Wallacher bereits, etwa zwischen den pazifischen Inselstaaten, die durch den Anstieg der Meere in ihrer Existenz bedroht sind, und dem kohlefreundlichen Australien. Sich selbst im Weg steht die Kirche aber durch ihr hausgemachtes Glaubwürdigkeitsproblem.

Und so wirft die Studie noch einmal ein anderes Licht auf die innerkirchlichen Reformdebatten. Eine verantwortliche Bevölkerungspolitik, jenseits von staatlichen Zwangsmaßnahmen und Abtreibungsprogrammen, wäre wichtig, sagt der Projektleiter angesichts einer "immer volleren Erde". Bildung und wirtschaftliche Förderung von Frauen gerade in armen Ländern gelten nachweislich als nachhaltigste Maßnahme zur Reduzierung der Kinderzahl, über die allerdings die Eltern selbst bestimmen können sollten.

Vieles davon steht auch schon in kirchlichen Lehrschreiben, aber: "Die Kirche könnte diese Position wirksamer vertreten, wenn sie in ihrem eigenen Bereich nicht länger Sonderrechte für Männer beanspruchen würde", so der Fachmann. Und: Für verantwortliche Familienplanung brauche es auch Zugang zu geeigneten Verhütungsmitteln. "Wenn Hilfswerke und lokale Kirchenorganisationen in armen Ländern solche verteilen, sollten sie nicht länger drangsaliert werden. Sie wissen, warum sie das tun", sagt Wallacher.

Noch Luft nach oben

In der Kirche geschehe schon viel in puncto Schöpfungsverantwortung, lautete ein Hinweis von Weltkirche-Bischof Ludwig Schick bei der Vorstellung der Studie. Aber es sei auch noch Luft nach oben. Das Papier nennt als ein Handlungsfeld den Umgang mit kirchlichen Flächen und Gebäuden, die sich allerdings im Besitz vieler verschiedener, rechtlich selbstständiger Träger befinden, darunter tausende Kirchenstiftungen. Hier sollte die Kirchenleitung ein für alle verbindliches Regelwerk schaffen, etwa für die Verpachtung von Flächen, schlägt Wallacher vor.

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick / © Harald Oppitz (KNA)
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick / © Harald Oppitz ( KNA )

Erzbischof Schick versprach, das Papier nicht nur mit seinen Umweltbeauftragten zu besprechen, sondern auch mit dem Diözesanrat und den Religionslehrern. "Wir müssen vom Reden zum Handeln kommen." Auch bei der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe wird das Thema wieder auf der Tagesordnung stehen.

Informationen zur Studie:

-Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.),

- "Wie sozial-ökologische Transformation gelingen kann. Eine interdisziplinäre Studie im Rahmen des Dialogprojektes zum weltkirchlichen Beitrag der katholischen Kirche für eine sozial-ökologische Transformation im Lichte von Laudato si",

-Studien der Sachverständigengruppe "Weltwirtschaft und Sozialethik"

Nr. 22, Bonn 2021, 81 Seiten.

Das Heft kann beim Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz bestellt werden.

Quelle:
KNA