Italien debattiert über ein Gesetz gegen Homophobie

"Wir zitieren weiterhin die Bibel"

Weniger als Segnungen homosexueller Paare bewegt Italien derzeit ein Gesetzentwurf gegen Homophobie. Befeuert wird die Debatte vom Staatspräsidenten, einem Kardinal, einem Rapper, Familienverbänden und Politikern.

Autor/in:
Roland Juchem
Junge Frau mit einer Regenbogenfahne / © CrisMC (shutterstock)
Junge Frau mit einer Regenbogenfahne / © CrisMC ( shutterstock )

Das vatikanische Nein zu Segnungen für homosexuelle Paare sorgte in Italien lange nicht für den Aufschrei wie in Deutschland.

Gleichwohl bemühen sich Kirchenvertreter auch hier, nicht pauschal in die homophobe Ecke gestellt zu werden. So formulierte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Gualtiero Bassetti, seine Kritik an einem Gesetzentwurf gegen Homophobie zu Wochenbeginn etwas behutsamer.

Er selbst halte eine Gesetzesänderung nicht für nötig, um Homosexuelle vor homophoben Beleidigungen, Aggressionen oder Gewalt zu schützen, sagte er dem "Corriere della Sera". Wenn das Parlament das dennoch für nötig erachte, müsse der Text klarer gefasst werden.

In der aktuellen Form verleite der Entwurf zu "unterschiedlichen Interpretationen" und berühre Themen, "die nichts mit Homophobie, Beleidigungen oder Gewalt zu tun haben". Das gilt laut Bassetti insbesondere für die "sogenannte Gender-Identität": Eine "anthropologische Verwirrung", die "den Unterschied zwischen Mann und Frau in Frage stellt", sei für die Kirche inakzeptabel.

Homophobie auf neuer strafrechtlicher Stufe

Die Stellungnahme erfolgte zum Welttag gegen Homophobie. Zu diesem Anlass meldete sich auch Staatspräsident Sergio Mattarella zu Wort: "Persönliche Einstellungen und sexuelle Orientierung" dürften kein Grund sein, jemanden "anzugreifen, zu verspotten oder ihm die Achtung seiner Menschenwürde zu verweigern". Wo dies geschehe, seien genau jene "moralischen Werte bedroht, auf denen demokratisches Zusammenleben basiert".

Anders als von manchen gedeutet, war Mattarellas Mahnung jedoch keine Parteinahme für den nach seinem Initiator Alessandro Zan benannten Gesetzentwurf. Der stellt Homophobie mit Rassismus und Hass aus religiösen Gründen strafrechtlich gleich. Damit würden jene Passagen des Gesetzbuchs, die rassistisch, ethnisch oder religiös motivierte Diskriminierung mit Freiheitsstrafen belegen, ergänzt um die Tatbestände der Diskriminierung wegen Geschlechts, Gender, sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität oder Behinderung. Wer zu homophober Diskriminierung oder Gewalt anstiftet, soll bis zu vier Jahre Freiheitsstrafe erhalten können.

Der Gesetzentwurf hatte bereits im November, noch unter der Mitte-Links-Regierung von Giuseppe Conte, die Abgeordnetenkammer passiert. Unter der neuen fraktionsübergreifenden Regierung Draghi stockt das Projekt im Senat. Während linksdemokratische PD und Fünf-Sterne-Bewegung das Gesetz bis Ende Juni verabschieden wollen, begannen konservative Abgeordnete am Dienstag im Rechtsausschuss des Senats ein Bremsmanöver. Lega und Forza Italia haben ähnliche Vorbehalte wie Vertreter von Kirche oder Familienverbänden.

Bassettis vermittelnd formulierte Worte legte mancher schon als "halben Rückwärtsgang" aus. Als Seelsorger möge der Kardinal gerne vermitteln, sagte Massimo Gandolfini, Vorsitzender der Vereinigung "Family Day", dem "Corriere" (Dienstag). Doch das geplante Gesetz sei unnütz und gehöre gekippt. Der bestehende Rechtsschutz für Homo- und Transsexuelle, Frauen und Behinderte sei ausreichend.

Rapper legt sich mit Priester an

Für zusätzliche Aufmerksamkeit in der Debatte sorgte der Rapper Fedez. Der hatte ein TV-Konzert am 1. Mai unterbrochen, um den "Gesetzentwurf Zan" und LGBT-Rechte in Italien zu verteidigen. Dabei verlas er seiner Ansicht nach homophobe Zitate mehrerer Lega-Mitglieder, darunter von Matteo Salvini. Zudem zerstritt sich Fedez über dieses Thema unlängst mit einem ebenfalls in Sozialen Medien aktiven jungen Priester. Mit dem hatte er bis dahin einen lebhaften Disput auf Instagram & Co. gepflegt.

Salvini würde härteren Strafen gegen Diskriminierung und Gewalt wegen Geschlechts, ethnischer Zugehörigkeit oder Religion zustimmen. Es sei aber "Irrsinn", jene bestrafen zu wollen, die "Ansichten wie ein Adoptionsrecht für homosexuelle Paare oder Leihmutterschaft" nicht teilten. Auch von Gender-Theorien "für fünf- oder sechsjährige Grundschüler" will er nichts wissen.

"Frei zu lieben und zu denken!", lautet eine seiner Parolen. Dazu verbreitet der Lega-Chef Stellungnahmen von Prominenten wie der Schauspielerin Elisabetta Canalis: Die warnt vor "einseitigem Denken", bei dem "wir uns selbst zensieren müssen, aus Angst, als frauenfeindlich, homophob oder rassistisch gebrandmarkt zu werden".

Italien sei ein freies Land und müsse es bleiben. Die Gefahr, dass Bibelzitate strafbar werden könnten, sieht Kardinal Bassetti weniger: "Es ist klar, dass wir weiterhin die Bibel zitieren werden: 'Gott schuf den Menschen nach seinem Abbild, als Mann und Frau schuf er sie'; daran kann uns niemand hindern." "Diesen Plan Gottes für die Menschheit" werde die Kirche weiterhin lehren. Im Übrigen sähen auch "alle Zivilisationen im Laufe der Geschichte" dies so.


Kardinal Gualtiero Bassetti / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Gualtiero Bassetti / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA